Bochum. Beleidigen, Schlagen, Behindern: Die Staatsanwaltschaft Bochum hat in diesem Jahr rund 1200 Verfahren wegen Attacken auf Amtsträger eingeleitet.
Immer wieder klagen Behörden über Aggressionen gegenüber Amtspersonen. Es geht um Pöbeln, Spucken, Beleidigen, Schlagen, Treten, Beißen und Behindern. Wer sich so etwas leistet, bekommt es mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Abteilung 320 bei der Staatsanwaltschaft Bochum zu tun. Dort arbeiten eine Staatsanwältin, ein Staatsanwalt und ein Amtsanwalt.
Die Abteilung hat allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres rund 1200 neue Ermittlungsverfahren wegen verbaler und körperlicher Übergriffe auf Amtsträger, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und des Jobcenters sowie auf Rettungskräfte eingeleitet.
Das teilte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Staatsanwalt Jan Oelbermann, auf Anfrage mit.
Stark steigende Anzahl der Ermittlungsverfahren in Bochum
Die Gesamtanzahl der Fälle ist seit Gründung der Abteilung im Sommer 2019 massiv angestiegen. Die Zahlen beziehen sich auf Übergriffe nicht nur in Bochum, sondern auch in Herne, Witten und Teilen des Kreises Recklinghausen.
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Die Strafverfolger fahren bei der Behandlung der Fälle keinen Kuschelkurs. Oelbermann zufolge werden die Verfahren grundsätzlich nicht eingestellt, sondern landen bei Gericht, als Anklage oder als Strafbefehl (Verurteilung ohne öffentlichen Prozess).
Vor allem Polizeikräften erleben bei Einsätzen Respektlosigkeiten
Vor allem sind es Polizeikräfte, die bei ihren Einsätzen Frechheiten und Attacken erleben müssen. Polizeisprecher Frank Lemanis sagte am Freitag, dass bei der täglichen Einsatzbewältigung Respektlosigkeiten, Rohheiten und Aggressivität zugenommen hätten – bis hin zur Körperverletzungen. Erst vor kurzem hatte auch der Bochumer Kripo-Chef Ralf Gromann im WAZ-Interview eine „Verrohung und Respektlosigkeiten gegenüber jeder Art von Autorität“ beklagt. In Ermittlungsverfahren regt er beim Polizeipräsidenten immer auch separat die Stellung eines Strafantrages an, wenn Polizeikräfte beleidigt worden sind.
Betroffen von den Übergriffen sind auch Justizvollzugsbeamte, Rettungskräfte, Krankenwagenfahrer oder Beschäftigte des Ordnungsamtes.
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Das sei „keine Ausnahme“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk. „Die Kolleginnen und Kollegen berichten, dass der Ton und der Umgang vor Ort sich doch erheblich verschlechtert hat. Viele äußern Unmut und Unverständnis für die Maßnahmen des Kommunalen Ordnungsdienstes. Dies spiegelt sich oft in dem Verhalten gegenüber dem KOD wieder. Dies sind Ignoranz gegenüber Ansprachen, ewiges Diskutieren aber auch verbale Entgleisungen aus einer Gruppe heraus.“
Jugendliche warfen mit Steinen auf Ordnungskräfte der Stadt Bochum
Van Dyk berichtet über verbale Entgleisungen, Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen und körperliche Angriffe.
Als Beispiel dient ein Einsatz des KOD – und der Polizei – bei einem Jugendfreizeithaus in Querenburg im vorigen Februar. Dort warfen Jugendliche mit Steinen auf die Ordnungshüter und beschimpften sie Vokalen aus der Gossensprache. Der KOD war dort im Einsatz, weil die Jugendlichen gegen die Corona-Schutzverordnungen verstoßen hatten.
Das Ordnungsamt zeigt bei solchen Ausfällen, und seien sie nur verbal, kein Pardon. „Alle Straftaten werden angezeigt“, so van Dyk.
Bochumer Feuerwehr-Chef: „Die Toleranz wird geringer“
Verurteilung wegen Behinderung von Rettungskräften
Ein typischer Fall von Rücksichtslosigkeit gegenüber Rettungskräften wurde im vorigen Jahr vom Amtsgericht verurteilt.Ein Wattenscheider (59) hatte Rettungskräfte bei einem Notfalleinsatz massiv behindert und beleidigt. Grund: Der Rettungswagen mit einer schwerverletzten Frau (61) versperrte die Zufahrt zu seiner Garage und er wollte nicht warten.Folge: 5400 Euro Geldstrafe auf Bewährung wegen „Behinderung von hilfeleistenden Personen“. Die Staatsanwaltschaft wollte diese Strafe ohne Bewährung.
Auch Feuerwehr-Chef Simon Heußen spricht gegenüber der WAZ von einem „Verlust des Respektes vor Einsatz- und Hilfskräften“; dies sei „ein gesellschaftlicher Trend“. Oft spielten Alkohol und Drogen eine Rolle, wenn Bürger beleidigend oder übergriffig würden. Allerdings gebe es auch im Straßenverkehr Probleme, wenn Einsatzwagen einen Weg zeitweise blockierten. „Die Toleranz wird geringer.“
Dass die Staatsanwaltschaft die Übergriffe jetzt konsequent verfolgt, begrüßt er sehr, weil das in der Öffentlichkeit abschreckend wirken könne. „Wir hoffen, dass die Hemmung größer wird, weil es verfolgt wird. Jeder Übergriff ist einer zu viel.“
Oberstaatsanwalt Paul Jansen hatte in der WAZ einmal gesagt: „Es scheint manchen Bürgerinnen und Bürgern nicht klar zu sein, dass wir diese Berufsgruppen für unsere Daseinsvorsorge benötigen und diese, wenn nötig, zu unterstützen, aber doch keinesfalls in welcher Form auch immer zu drangsalieren haben.“