Bochum. Deutscher Verband Frau und Kultur in Bochum hat über 100-jährige Geschichte. Damen sprechen über Emanzipation und schlechten Ruf der Frauenmode.

Es ist ein konzentriertes Publikum in der Gesellschaft Harmonie, das schmunzelt und staunt. Die Frauen der Gruppe Bochum des Deutschen Verbandes Frau und Kultur näherten sich Arthur Schopenhauer. Der als pessimistisch geltende Philosoph kommt in einem Zwiegespräch zwischen Friedemann Spicker und Jürgen Wilbert vom Deutschen Aphorismus Archiv (DAphA) Hattingen als hellsichtiger Kauz daher, der das Alleinsein schätzte.

Bochumerinnen suchen die Gemeinschaft

Der Wille zur Gemeinschaft hingegen verbindet die Damen im Publikum. Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert suchten Frauen aus bürgerlichen Kreisen den Schulterschluss miteinander, um sich kulturell weiterzuentwickeln. Die Ursprünge des Deutschen Verbandes Frau und Kultur fallen in die Zeit, in der die Frauenbewegung in vollem Gange war. Gegründet 1896 als „Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung“ in Berlin, griffen damals der Frauenarzt Carl Spener und die Frauenrechtlerin Sera Proelß die europaweite Reformbewegung zur Kleidung der Frau auf.

Zwiegespräch zu Schopenhauer (v.l.): Friedemann Spicker und Jürgen Wilber beim Treffen des Verbandes Frau und Kultur.
Zwiegespräch zu Schopenhauer (v.l.): Friedemann Spicker und Jürgen Wilber beim Treffen des Verbandes Frau und Kultur. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Das obligatorische Korsett geriet zunehmend in Verruf, da es nachgewiesen zu Deformationen des weiblichen Körpers führte. Der in Folge gegründete „Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung“ hatte regen Zulauf und zählte im Februar 1897 bereits 225 Mitglieder, so Patricia Ober in ihrem Buch „Der Frauen neue Kleider“.

Schnittmuster für Emanzipation

Die Modereform wurde in den ersten Vereinsjahren unter dem Motto „Gesund, praktisch, schön“ von Margarete Pochhammer und Gunda Beeg vorangetrieben. Beeg arbeitete als Redakteurin bei der auflagenstarken Zeitschrift „Die Modenwelt“, so dass Schnittmuster und Bilder von nicht einengenden Reformkleidern des Vereins darin veröffentlicht wurden.

Jubiläumsfeier

Die Gruppe Bochum feiert am 30. Juni ihr 100-jähriges Bestehen (1921–2021) in der Gesellschaft Harmonie nach. Sie ist mit aktuell 177 Mitgliedern nach Lübeck und Dortmund die drittgrößte Gruppe in Deutschland.Auch die Bundestagung des Deutschen Verbandes Frau und Kultur ist in diesem Jahr am 14. und 15. August in Bochum im Hotel Mercure geplant. Weitere Informationen zum Verband in Bochum unter: https://www.verband-frau-und-kultur.de/bochum/

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„Der große Verdienst des Vereins basierte auf der Hilfe zur Selbsthilfe in Form von Schnittmusterbögen in den Mitteilungsblättern, die somit von Beginn an populären Anleitungen zum Selbstschneidern boten und einen persönlich geprägten Individualstil initiierten“, schildert auch Elisabeth Kessler-Slotta.

Die promovierte Kunsthistorikerin aus Bochum ist seit 2013 Bundesvorsitzende des Deutschen Verbandes Frau und Kultur, der laut Kessler-Slotta „durchaus eine politische Dimension“ hat. Die 68-Jährige verweist auf den Einsatz des Verbandes für den Zugang der Frauen zu Universitäten als auch für das Wahlrecht von Frauen in Deutschland (1918).

Altersdurchschnitt: 60 bis 100 Jahre

Im aktuellen Kontext ist der Verband eines von rund 60 Mitgliedern des Deutschen Frauenrats, der sich für gegenwärtige Gleichstellungsfragen engagiert. Allerdings hat der Verband Frau und Kultur mit bundesweit rund 2800 Mitgliedern in 21 Gruppen wenig jungen Nachwuchs. Der Altersdurchschnitt in Bochum liegt zwischen 60 und 100 Jahre. „Heute kommen die Frauen erst, wenn sie aus dem Beruf sind oder die Kinder aus dem Haus“, sagt Mitglied Hildegard Tischmann (79). Die Gruppe Bochum besteht seit 1921.

„Bochum war eine aufstrebende Industriestadt und die Frauen suchten nach Möglichkeiten der Freizeitgestaltung“, sagt die Vorsitzende der Gruppe, Renate Ruhlig-Schulte (76). Seit über zehn Jahren stellt sie das Programm für die kulturinteressierten Damen zusammen, das monatlich zwei Vorträge und Studienfahrten umfasst. Des Weiteren treffen sich Arbeitsgemeinschaften zu den Themen: Literatur, Theater und kreatives Gestalten.