Bochum-Stiepel. Hobby-Historiker Andreas Finke blickt in seinem neuen Geschichtsband auf das Leben nach dem Ersten Weltkrieg. Für Stiepeler eine Pflichtlektüre.

Mit „Der große Krieg“ legte der Autor und Heimatforscher Andreas Finke vor drei Jahren eine beeindruckende Broschüre vor, die vom harten Leben der Menschen in Stiepel zur Zeit des Ersten Weltkriegs erzählte. Jetzt schlägt der versierte Hobby-Historiker ein weiteres Kapitel deutscher Geschichte auf.

In „Zwischen Revolution und Ruhrkampf“ blickt Finke jetzt auf die Jahre zwischen 1918 bis in die 1920er und zeigt, wie der Krieg das Leben in der beschaulichen Gemeinde nach dem Ende des Kaiserreichs veränderte. Für „echte“ Stiepeler, die sich ein wenig für Geschichte interessieren und wissen möchten, unter welcher Not unsere Vorfahren damals leben mussten, ist dies eine absolute Pflichtlektüre.

Als Bochum-Stiepel noch zum Kreis Hattingen gehörte

Stiepel gehörte damals noch zum Amt Blankenstein im Kreis Hattingen und wurde erst 1929 nach Bochum eingemeindet. Von den Entbehrungen nach dem Ersten Weltkrieg war Stiepel auch in den Jahren danach nicht verschont geblieben: „Das Elend war nach dem Krieg nicht vorbei. Im Gegenteil, es wurde schlimmer“, sagt Finke.

Mit dem Arbeitskreis Geschichte des Stiepeler Vereins für Heimatforschung recherchierte Finke über zwei Jahren lang an seinem neuen Band – etwa in den Stadtarchiven in Bochum und Hattingen – und stöberte zudem viel im eigenen Familienfundus. An mehreren Stellen seiner Broschüre verbindet er die Entwicklung der Stiepeler Geschichte auch mit der seiner eigenen Familie und steuerte viele private Fotos dazu bei.

Lebensmittel waren ein knappes Gut

So erzählt Finke eindrucksvoll davon, wie Lebensmittel damals ein knappes Gut waren. Ihre Preise stiegen rasant und wurden vom Amt Blankenstein zwangsbewirtschaftet. Ein kleines, aber prägnantes Beispiel aus dem Januar 1919 ist die Zuteilung von Eiern: Pro Person und Woche gab es genau ein Ei – und dies für stolze 50 Pfennig.

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Auch die soziale Situation vieler Stiepeler blieb kritisch: Ein wichtiges Kapitel der Broschüre beschäftigt sich mit der Wohnungsnot. Beginnend von einer ersten „Wohnungsverordnung“ über den Ankauf einer im Ersten Weltkrieg stillgelegten Ziegelei bis zur Mitbegründung der Stiepeler Baugenossenschaft hat Andreas Finke alles rund um die Bauaktivitäten der Gemeinde Stiepel gewissenhaft aufbereitet.

Was der Kapp-Putsch für Stiepel bedeutete

Mit der Ziegelei verfügte Stiepel ab 1921 über eigenes Baumaterial, sodass die Planungen von Siedlungsbauten in Angriff genommen werden konnten. Ebenfalls umfangreich dargestellt wird die Phase des sogenannten Kapp-Putsches – und was der Putsch für das Leben in Stiepel bedeutete.

Doch komplett ohne Hoffnung entlässt Finke seine Leser nicht: Am Ende des Bandes erzählt er davon, wie sich im Juni 1919 der erste Stiepeler Wanderverein gründete. Die Mitglieder der „Wander-Gesellschaft Edelweiß“, die auch Benefizkonzerte organisierten, sind auf einem alten Schwarz-Weiß-Foto abgebildet – akkurat mit Schlips und Jackett. Einer davon war Friedrich Wilhelm Finke, der Großvater des Autors.

Andreas Finke möchte die Geschichte Stiepels weiter erforschen: „Ich liebäugele mit einem dritten Band“, sagt er. Mit welcher Zeit er sich dann genau beschäftigt, ist aber noch nicht ganz klar.

Info: Wie die Galgenfeldstraße zu ihrem Namen kam

Mit seinem ersten Band über die Stiepeler Geschichte sorgte der Autor Andreas Finke vor fünf Jahren für Aufsehen. Darin beschäftigte er sich mit den teils kuriosen Stiepeler Straßennamen, deren Herkunft insbesondere vielen jüngeren Stiepelern kaum bekannt sein dürfte.

So berichtete Finke darin, dass auf der Galgenfeldstraße einst tatsächlich ein Galgen stand – und warum die Ministerstraße nach Friedrich Wilhelm Finke (1867-1938) benannt wurde. Wegen seiner beeindruckenden Erfolge in der Geflügelzucht trug er den Spitznamen „Hühnerminister“. Andere Straßennamen wie etwa der Löwenzahnweg haben keinen geschichtlichen Bezug.

Die Broschüre „Zwischen Revolution und Ruhrkampf“ (27 Seiten) gibt es für sechs Euro in der Ruhrland-Apotheke Meyer (Kemnader Straße 330) sowie bei Lotto Siva im Rewe-Markt (Kemnader Straße 304).