Bochum-Nord. Bochumer Werner-von-Siemens-Schüler brechen zur Wanderung nach Frankreich auf. Sie sind gemeinsam mit Studierenden unterwegs - ohne Handy.
Kurz bevor der Bus nach zehnstündiger Fahrt die Gemeinde Erquy im Nordwesten Frankreichs erreichen wird, wird Alina Schettler die letzte Gelegenheit haben, auf ihr Handy zu schauen. Habe ich noch eine Nachricht bekommen und gibt es einen neuen Post bei "Instagram"? Welche neuen Videos gibt es bei "TikTok" und wer hat mir einen "Snap" geschickt?
Für die dann kommenden zehn Tage müssen Schettler und ihre Mitschüler auf die Antworten auf diese Fragen verzichten. Denn zur Wanderung in Nordfrankreich bleibt das Handy ausgeschaltet, die Lehrer der Werner-von-Siemens Hauptschule sammeln die Geräte ein. Ende Mai brechen Schüler der siebten bis zehnten Klasse zur jährlichen Schulwanderung auf, wollen rund 150 Kilometer zu Fuß zurücklegen.
Bochumer wandern 20 km pro Tag
"Normalerweise sind wir immer nach England gefahren, aber wegen des Brexits ist das nicht mehr so einfach", sagt Lehrerin Anja Eckruth. Nicht alle Schüler hätten einen EU-Pass, die Einreisebestimmungen hätten sich verkompliziert. Nordfrankreich ist daher diesmal das Ziel der Wahl.
Etwa zwanzig Kilometer am Tag haben sich die Schüler vorgenommen. "Ich bin noch nie gewandert, aber ich glaube nicht, dass es besonders anstrengend wird", sagt Dhekra Khaleel. Mitschüler Yazan Al-Shihabi ist zwar schon einmal von Bochum nach Essen gewandert, sagt aber: "Die Wanderung in Frankreich wird noch einmal etwas ganz Neues".
Wanderschuhe können sich die Schülerinnen und Schüler von der Schule leihen. Auch sonst ist für alles gesorgt: Ein Lastwagen fährt von Station zu Station mit Zelten und Verpflegung vor, schultern müssen die Schüler deshalb nur ihren eigenen Rucksack. "Die Schüler werden von Studierenden der Universität Witten-Herdecke begleitet", informiert Lehrerin Laura Schult.
Schwierige familiäre Verhältnisse
In kleinen "Peer-Groups" von wenigen Personen machen sich die Wanderer auf den Weg. Mehrere Treffen zum Kennenlernen finden bereits im Vorfeld statt. "Manche unserer Schüler kommen aus schwierigen familiären Verhältnissen. Auf der Wanderung sind wir aber alle gleich - finanzieller Hintergrund oder Fluchtgeschichte spielen keine Rolle", sagt Lehrerin Kathrin Torka.
Pädagogische Nebeneffekte: Training des sozialen Miteinanders, Stärkung des Selbstwertgefühls durch körperliche Betätigung und ein erweiterte Horizont durch eine Reise in ein fremdes Land."Das Projekt besteht seit mehreren Jahren, die Fahrt ist für die Schüler freiwillig", informiert Lehrer Michael Nowicki.
Die Kosten würden über den Förderverein und Sponsoren wie "BP Stiftung" oder "Stadtwerke" finanziert. Mit anpacken müssen die Schüler aber trotzdem: Den ersten Krafttest gibt es bereits beim Beladen des Lastwagens vor der Abfahrt.
Mobiltelefone bleiben ausgeschaltet
Damit sich die Schüler besser auf die beeindruckende Landschaft in Frankreich einlassen können, fiel die Entscheidung, die Mobiltelefone auszuschalten. Das Motto dabei: "Raus aus der Schule- rein in die Natur".
"Das ist auch besser für die Gruppendynamik, wenn die Handys ausbleiben", ist sich die 15-Jährige Alina sicher und Mitschülerin Dhekra meint: "Wenn man so viel tun hat und es Spaß macht, werde ich mein Handy gar nicht vermissen."
Auf Strände, Baden und Lagerfeuer freuen sich die Schüler besonders, auf das Aufbauen der Zelte eher weniger. Am Ende der Wanderung wartet aber noch ein besonderes Highlight auf sie: Eine Übernachtung im Schloss Mont-Saint-Michel in der französischen Normandie. Dort steht auch der Besuch eines alten Klosters auf dem Programm.
Normalerweise ist das Handy der wichtigste Gegenstand im Gepäck von Dhekra, Alina, Yazan und ihren Mitschülern. In Frankreich wird das etwas anderes sein. "Essen", sagt Yazan, "Trinken", meint Dhekra und Alina sagt lachend: "Deodorant wird wohl am wichtigsten sein", "oder Blasenpflaster", vermutet Lehrerin Torka. Und das gilt dann für alle gleichermaßen - egal ob Hauptschüler, Lehrer oder Student.
Universitäre Projektgruppe
Die universitäre Projektgruppe trägt den Namen "Wanderful" und besteht aus 10-14 Studierenden aus allen Fakultäten, die das Projekt von Oktober bis Juni organisieren und leiten.
Die Aufgaben des studentischen Teams bestehen aus der Akquise von Spenden- und Fördergeldern für die Reise, der Vorbereitung der Unterrichte, dem Marketing sowie der Reiserouten- und Unterkunftsplanung.