Bochum. Ein Bochumer (20), dem ein Schraubenzieher ins Gehirn gerammt wurde, sagte vor Gericht aus. Er ist gelähmt. Die Vernehmung war erschütternd.

Der Zeuge ist erst 20 Jahre alt, erschien aber mit einer Gehhilfe und konnte sich nur extrem langsam fortbewegen. Dabei wurde er von einer Begleitperson massiv gestützt. Durch einen wuchtigen, sechs Zentimeter tiefen Stich mit einem Schraubenzieher in sein Gehirn auf offener Straße mitten in der Bochumer Innenstadt ist er halbseitig gelähmt. Und „dauerhaft auf Pflege und Versorgung angewiesen“, wie es in der Anklage heißt.

Strafgerichte erleben naturgemäß viel Leid, aber so schwer verletzte Menschen wie an diesem Freitag vernehmen sie nur sehr selten im Zeugenstand.

Anklage wirft zwei Bochumern versuchten Totschlag vor

Auf der Anklagebank sitzen zwei Bochumer (18, 19). Sie sollen den 20-Jährigen am 22. März gegen 19.30 Uhr vor einem Kindergarten an der Arndtstraße so übel zugerichtet haben, dass er in den Schockraum und auf die Intensivstation des Bergmannsheils gebracht wurde und um sein Leben bangen musste. Er war „in kritischem intensivmedizinischem Zustand“, sagte ein Arzt vor der 5. Strafkammer.

„Mein Kopf brennt“, hatte er wenige Sekunden nach dem verheerenden Stich in sein Gehirn gesagt, bevor er offenbar kurzzeitig bewusstlos wurde. „Ich wollte mich bewegen, da habe ich gemerkt...“

Den Satz sprach er nicht zu Ende. Die Stimme versagte. Der Kopf sank. Pause. Richterin Isabelle Hoffmann ergänzte: „...dass es nicht ging.“

„Ja“, weinte der Zeuge.

Opfer erlitt auch Stich in die Brust und Knochenbrüche im Gesicht

Die Vorsitzende Richterin stand in diesem intensiven Moment ausnahmsweise direkt vor dem Zeugenstuhl, weil sie dem 20-Jährigen ein Bild aus den Akten vorgelegt hatte. Sie wollte ihm nicht zumuten, dass er mit großem Aufwand nach vorn zur Richterbank kommen musste.

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Außer dem Stich ins Gehirn erlitt er damals einen Stich in die Brust sowie mehrere Brüche der Gesichtsknochen.

Vorgeworfen wird den Angeklagten versuchter Totschlag. Die Attacke hatte eine Vorgeschichte: Eine Woche zuvor hatte es in der Innenstadt Streit um ein Mädchen gegeben. Es ging um eine unerwünschte Annäherung oder um falsche Liebesgerüchte – da gehen die Darstellungen auseinander. Jedenfalls geriet einer der Angeklagten und der jetzt gelähmte Zeuge schon damals körperlich einander.

Auch die Frage einer Notwehr stellt sich in dem Bochumer Prozess

Der Streit und der Zorn brodelten in den darauffolgenden Tagen offenbar weiter. Am 22. März eskalierte alles bei einem erneuten Aufeinandertreffen.

Der Hauptangeklagte (18, U-Haft), der zugestochen haben soll, ist nur teilweise geständig. In Betracht kommen könnte auch eine Notwehr, weil er von dem 20-Jährigen zuvor mit einem Schlagstock und Messer angegriffen worden sein soll. Das bestreitet dieser. Vor Gericht sagte er nur: „Wir haben uns gegenseitig provoziert.“

Ein Urteil könnte am 6. Dezember fallen.