Bochum. In Uni-Nähe befindet sich das Naturschutzgebiet „Königsbüscher Wäldchen“. Ein Kerbtal mit natürlichem Bachlauf. Nicht alle wissen es zu schätzen.


Nur einen Steinwurf vom großen Technologie-Quartier an der Ruhr-Uni entfernt, einem Viertel voller High-Tech und Fortschritt, breitet sich ein kleiner wilder Wald aus, der so unberührt ist wie kaum ein anderer in Bochum. Es ist das Naturschutzgebiet „Königsbüscher Wäldchen“. Dort gibt es genau das, was die Stadt ganz besonders schützen will: natürliche Quellflächen, ein kleines, V-förmiges Kerbtal mit ursprünglichem Bachlauf (Siepen), Feuersalamander, Raubvögel wie den Mäusebussard und einen sehr alten Buchenwald.

„Das ist das Krächzen eines Eichelhähers“, sagt Dr. Peter Gausmann und blickt in die hohen Baumwipfel der Rotbuchen und Eichen. Der Ökologe der Unteren Naturschutzbehörde kennt das 13 Hektar große Rückzugsgebiet für Vögel und Tiere sehr genau. „Der Eichelhäher ist ein ganz, ganz wichtiger Vogel für den Wald“, sagt er. Das hochintelligente Tier aus der Rabenfamilie betreibe Vorratshaltung, indem es unterirdische Verstecke mit Nahrung wie Eicheln und Bucheckern anlege. Aber es finde sie später nicht alle wieder, und das sei gut so für den Wald. Denn Eicheln und Bucheckern keimen nur, wenn sie im Boden liegen; nicht, wenn sie nur auf ihm liegen. „Der Eichelhäher ist der natürliche Förster, er pflanzt Bäume. Wenn auch nicht mit Absicht, sondern aus Vergesslichkeit.“

Eine Oase der Ruhe und Entspannung

Fynn Märtin (li.) und Dr. Peter Gausmann im Königsbüscher Wäldchen.
Fynn Märtin (li.) und Dr. Peter Gausmann im Königsbüscher Wäldchen. © Unbekannt | FUNKE Foto Services

Das NSG Königsbüscher Wäldchen liegt ganz hoch oben an der recht steilen Straße „Auf dem Kalwes“ in Querenburg. Es präsentiert sich an diesem Spätseptember-Morgen wie ein leuchtendes Farbwunder, eine Oase der Ruhe und Entspannung. Das kräftige Sonnenlicht, den Mondschein ablösend, schießt durch die Lücken der hohen Baumkronen wie messerscharfe Laserstrahlen und lässt den Bodendunst glitzern. Mehr als 100 Jahre alt sind einige Rotbuchen, Eichen und Bergahorne.


Überall auf dem weichen Waldboden liegt unaufgeräumtes Totholz herum, auf dem sich das Moos wie eine zweite Rinde angesiedelt hat und in dem jetzt Schwämme, Käfer, Insekten und andere Kleinlebenwesen ein Zuhause gefunden haben. Steil und wild schlängeln sich die Flanken des Siepen durch den ganzen Wald. Ein Raubvogel ruft laut und schrill; sehr wahrscheinlich brütet er hier. Die Luft riecht modrig, würzig und frisch – ein Waldinnenklima vom Feinsten. „Die Deutschen hängen sehr an ihrem Wald“, sagt Gausmann. „Das hat historische Gründe: Die Germanen sind eine alte Waldbevölkerung gewesen.“


Am Fuße des Wäldchens, Richtung Witten-Heven und A 43, geht dieses Waldbiotop in ein Offenland-Biotop über. Es schaut ein bisschen wie eine Parklandschaft aus. Dort leben andere Vögel und andere Bäume: Turmfalke, Neuntöter, Schwalben, Grünspechte, Wallnussbäume und Ebereschen. Auf der Wiese wuseln Mäuse, die sich der Bussard aus dem Wald holt. Und dem Grünspecht schmecken die Ameisen zwischen dem Gras.

„Die Menschen verhalten sich nicht immer verantwortungsvoll“

Eine große Wiesenfläche legt am Dinestag, 25.09.2018 in Bochum mitten im Naturschutzgebiet Königsbüscher Wäldchen. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Eine große Wiesenfläche legt am Dinestag, 25.09.2018 in Bochum mitten im Naturschutzgebiet Königsbüscher Wäldchen. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Unbekannt | FUNKE Foto Services

Wo es schön ist, dort ist auch der Mensch. Weil ein NSG aber vorrangig für Fauna und Flora da ist, weniger für den Menschen, gibt es Probleme. „Die Menschen verhalten sich nicht immer verantwortungsvoll“, sagt Gausmann. Und denkt zum Beispiel an Mountainbikes, Reiter und unangeleinte Hunde. All dies ist in diesem NSG verboten. Anders als in einem Landschaftsschutzgebiet, in dem der Mensch und seine Erholung im Vordergrund stehen, gilt in einem NSG ein Wegegebot.

Unmittelbar am Rande des Königsbüscher Wäldchens, auf einem Parkstreifen, haben Unbekannte, offenbar im Schutz der Dunkelheit, Bauschutt, Wohlstandskleinmüll und auch Rasenschnitt abgeladen. Auch Grünabfall hat in einem NSG nichts zu suchen. Der Ökologe Fynn Märtin von der Unteren Naturschutzbehörde: „Oft befindet sich noch Samen von Pflanzen darin, die nicht aus dem Wald kommen und nicht dorthin sollen.“

„Wir wollen, sagt Richard Köhler von der Biologischen Station Östliches Ruhrgebiet, „nicht Naturschutz gegen die Menschen betreiben.“ Deshalb ist der freie Zutritt ja auch erlaubt. Aber ein NSG sei „ein Erbe“, das die Gemeinde für seine Bürger pflegen sollte.

>>> WAZ-Serie über Bochums Naturschutzgebiete

Die WAZ stellt zurzeit in loser Folge alle acht Bochumer Gebiete vor, die die Stadt unter strengen Naturschutz gestellt hat. Weitere Naturschutzgebiete sind in den kommenden Jahren geplant, zum Beispiel die Steilhänge an der Rauendahlstraße und der Kalwes.

Im Königsbüscher Wäldchen gibt es in den Bäumen auch zahlreiche Höhlen für Spechte und später dann Meisen. Regelmäßig finden auch seltene Hornissen-Völker dort Gelegenheit zum Nisten.





Sieben bis acht Prozent der gesamten Bochumer Fläche besteht aus Wald. Das ist relativ wenig. NRW-weit sind es rund 20 Prozent, deutschlandweit ein Drittel.




Im Naturschutzgebiet (NSG) gelten viel strengere Regeln als im Landschaftsschutzgebiet. Im NSG ist es zum Beispiel verboten zu zelten oder zu lagern, Gewässer und Ufer zu betreten, Hunde baden und frei laufen zu lassen, Feuer anzuzünden, Tiere zu beunruhigen oder zu fangen, künstlichen Dünger und Pflanzenschutzmittel zu verwenden.