Bochum..
Diesmal haben Fans nur zwei Tage vor der „Zeche“ in Weitmar campiert, um am Samstagabend (13. August) der J-Rock-Band Dir en grey beim „Meet & Greet“ ganz nah zu sein. Seit Monaten war der Gig ausverkauft.
Besucher aus ganz Deutschland bauten ihre Zelte an der Hallenmauer auf, und zurück blieben haufenweise Abfälle, Regenschirme und eine Perücke.
Dir en grey begannen in der japanischen Szene des Visual Kei, doch hat sich ihr Stil und ihr Habitus gewandelt. Mit der Ausrichtung hin zum Metal tauschten die Musiker aus Osaka ihre Kostüme gegen dunkle Kluft.
So auch an diesem Abend auf der Zechenbühne. So war das Publikum diesmal älter als sonst beim J-Rock üblich. So wie Tina, die aus dem Saarland angereist war. Sie war schon zufrieden, in all dem Gedränge einen Blick auf ihr Idol, den Bassisten Toshiya, werfen zu können. „Wegen ihm habe ich vor Jahren angefangen, das Instrument zu erlernen; er hat eine ganz besondere Art zu spielen.“ Zu den campenden Hardcore-Fans gehörte sie nicht: „Aus dem Alter bin ich ‘raus. Ich bin nach Bochum gekommen, um gute Musik zu hören.“
Der Wunsch wurde ihr erfüllt. Ohne viel Umschweife legte das Quintett los – druckvoll, eingängig, rhythmisch. Stets wurden musikalische Genres vermischt. Sänger Kyo jagte durch einen Parcours der Stimmlagen. Er wimmerte wie ein Kind, schmetterte wie eine Operndiva, rotzte den dunkelsten Bass ins Mikro. Der 35-Jährige schonte weder sein Publikum noch sich selbst, sondern verausgabte sich völlig. Ein wenig Theatralik war auch dabei, die indes nie in Posen verkam. Das teils kostümierte Publikum war begeistert und tanzte inmitten der körperlichen Enge den Pogo.
Dir en grey setzen – fast wie die unangefochtenen Vorreiter der qualitativ großen Band Luna Sea – musikalisch Akzente innerhalb der J-Rock-Szene. Wer wollte, konnte aus jedem Stück andere Reminiszenzen heraushören, von Rammstein über die Scorpions bis zu Peter Murphy, ohne jedoch die eigene Handschrift zu übertünchen.
Gemein ist allen die Tendenz zum Hardrock, die Variation der Musikstile und die penible Präsentation. Wer J-Rock-Fan ist, bleibt nicht bei der Musik allein. Der Großteil des Publikums konnte die zumeist düsteren Texte der Band mitsingen. Japan gilt als kulturelles Vorbild, dessen Teil die Sprache ist.
Vor der Halle harrte eine Düsseldorferin aus, die keine Karte mehr ergattert hatte. Sie vertrieb sich die Wartezeit auf ihre Freundin, die das Konzert besuchte, indem sie japanische Schriftzeichen mit ihrer DIN-A-4-Kladde übte und Hiragana und Katakana in die Luft malte. Seit fünf Jahren lernt sie Japanisch bei der VHS. „Soeben habe ich die Zusage für einen Japanologie-Studienplatz bekommen. Da kann es mich gar nicht enttäuschen, dass ich die Band heute nicht sehen konnte.“