Bochum.. Sie wurden in intensiven Workshops geschult, qualifizierten sich in den Stadtmeisterschaften von Bochum, Dortmund und Herne - am Sonntag standen die neun Finalisten des U20-Ruhrpokals auf der Bühne der Kammerspiele Bochum, um sich mit dem Sieg das Ticket zu den deutschen Meisterschaften zu sichern.

Schreibtalent allein reicht nicht zum Sieg. Denn davon haben alle neun Mitstreiter, die nacheinander die Bühne der Kammerspiele Bochum zum Poetry Slam betreten, ungewöhnlich viel mitgebracht. Sie sind jung, noch keine zwanzig, doch mit Wortwitz und Fantasie spinnen sie geschickt und geübt Dichtungskreationen, die überraschen, bewegen, Herz und Hirn berühren.

Die Jury hat es an diesem Sonntag wahrlich nicht leicht, die Finalisten des vom WortLautRuhr organisierten U20-Ruhrpokals zu bewerten. In der vergangenen Woche haben sie an Schüler-Workshops teilgenommen und sich dann in den Stadtmeisterschaften qualifiziert.

Sieger sichert sich Ticket nach Berlin

Jetzt streben die Nachwuchs-Poetry-Slammer in Richtung Siegertreppchen, denn der beste von ihnen darf im September nach Berlin zu den deutschsprachigen U20-Meisterschaften fahren. Aus Herne, Bochum und Dortmund kommen die Nachwuchs-Künstler, die teilweise erst zum zweiten Mal auf der Bühne stehen.

Die Moderation teilen sich Sebastian Rabsahl und Theresa Hahl, beides erfahrene Slammer; Für das richtige Ambiente sorgt DJ Nachtfalke. Als Special Guest ist Fee aus München angereist. Die deutschsprachige Jugendmeisterin im Poetry Slam 2013 legt mit einer Persiflage der TV-Show „Germany’s Next Topmodel“ vor. Dann wird es für den Ruhrgebiets-Nachwuchs ernst.

Das Lampenfieber ist spürbar. Und verständlich. Denn das junge Schreibtalent, das sich an diesem Abend der Öffentlichkeit präsentiert, ist herausragend. Die Texte der Schüler sind allesamt bemerkenswert, in der Bandbreite der Themen spiegelt sich das volle Potenzial des Formats Poetry Slam wieder.

Von nachdenklich bis humorvoll alles dabei

Da wäre Dennis aus Bochum, der mit einer Rap-Einlage den Anfang macht. Da wäre Fatima aus Dortmund, die die Diskrepanz des unbeschwerten und geregelten Lebens im Westen und des kriegserfüllten Alltags in weniger stabilen Staaten in Worte kleidet.

Da wäre die Hernerin Helena, die mit feinfühligem Humor das Publikum zum Lachen bringt, als sie die träumerischen Illusionen der Pubertät unsanft mir der Realität kollidieren lässt: „Es geschah im Supermarkt. Wir standen bei der Sahne."

Jason erzielt beinah die Höchstpunktzahl

Schnell wird bei dieser Auswahl klar: Es wird nicht leicht, einen Sieger zu küren. Da braucht es das gewisse Etwas, um sich vom hohen Durchschnitt abzuheben. Und das kommt in Form von dem 19-jährigen Jason aus Bochum, der bereits in der Vorrunde des Ruhrpokal-Finales die höchste Punktzahl von allen erzielt. 49 von 50 Punkten schenkt ihm die Publikumsjury für einen Text über einen alten Greis mit weißen Haaren und einer steifen Hand, der sich jeden Tag aus dem Bett quält, um nach seiner Frau zu sehen - bis sie stirbt.

Nicht nur, dass seine Geschichte so universal menschliche Ängste und Empfindungen anspricht wie die Furcht vor dem Tod, vor Vergänglichkeit, gleichzeitig der bedingungslosen Liebe und Hingabe, Jason schafft es auch, die heftige Leidenschaft seiner Worte so gut mit seiner körperlichen Präsenz wiederzuspiegeln, dass das Publikum überwältigt in den lautesten Applaus des Abends ausbricht.

Dichterwettstreit der klassischen deutschen Denker

In der Finalrunde sieht sich Jason schließlich Fatima und Sven gegenüber, der im letzten Auftritt der Vorrunde mit einem Text überzeugt hatte, der von der großen Frage nach der Berechtigung der Kunst sprach. Tatsächlich schafft es Jason, seine Leistung und seine Wirkung noch einmal zu steigern: In seinen Worten inszeniert er einen Dichterwettstreit der klassischen deutschen Poeten, und Stanley Kubrick - „Wer hat den eigentlich eingeladen“ - und spielt die großen Denker gegeneinander aus.

Kein Wunder, dass das Publikum das Streitgespräch zwischen Goethe, Schiller, Kafka, Fontane und Grass schließlich mit dem Sieg belohnt. Völlig verdient hat Jason jetzt die Chance, bei den deutschsprachigen U20-Meisterschaften in Berlin den Dichter-Nachwuchs des Ruhrgebiets zu repräsentieren - der an diesem Abend sein frisches Talent unter Beweis gestellt hat.