Bochum. Ein Bochumer Lehrer hat mit seinen Schülern ein Bienenvolk von 150.000 Tieren herangezogen. Im Schulkiosk steht nun viel Honig zum Kauf bereit.
Ein feines Netz spannt sich von der breiten Hutkrempe über Kimberlys Gesicht. Dicker gelber Stoff bedeckt ihren Oberkörper, die Arme und Beine, ihre Hose steckt in den Socken. Es ist ein wenig heiß unter dem dicken Anzug, doch besser ein bisschen schwitzen, als gestochen zu werden. Es ist Honigernte im Schulgarten des Alice-Salomon-Berufskollegs und Kimberley ist eine der vier Schülerinnen, die heute gemeinsam mit ihrem Lehrer Jonathan Junge den fünf Bienenstöcken einige Wabenrähmchen entnimmt.
Das Alice-Salomon-Berufskolleg ist seit 2019 Talentschule. Das bedeutet, dass die Lebenskompetenzen der Schüler und Schülerinnen gestärkt werden, indem ein fachliches Förderprofil der Schule ausgebaut wird. So sollen gerechte Bildungschancen entstehen. Imkerei – das klingt zunächst ziemlichen speziell.
Bochumer Lehrer gründete als Referendar das erste Bienenvolk im Schulgarten
Doch das Projekt zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es ganz verschiedene Fähigkeiten fördert. Die rund 200 beteiligten Schüler errechneten in diesem Schuljahr die Anzahl der Bienen und die Menge des Honigs, stellten Kerzen aus Bienenwachs her, designten die Etiketten der Honiggläser, lernten biologische sowie rechtliche Grundlagen zur Honigproduktion und begleiteten das Projekt fotografisch.
Zu den Bienenstöcken führt ein schmaler Trampelpfad mitten durch den mit Rosen, Kräutern und Gemüse bewachsenen Schulgarten. Kurz vor den Bienenstöcken steckt ein kleines Schild im Gras: „Achtung Bienengebiet!“ Hier surrt und summt es unaufhörlich und zahllose Bienen fliegen durcheinander. Lehrer Junge entzündet einen Eierkarton, mit einem Blasebalg verteilt er den Rauch und simuliert so einen Waldbrand. „Dadurch werden die Bienen ruhig“ erklärt er. Der Hobbyimker hat bereits als Referendar begonnen, im Schulgarten Bienen zu züchten, damals noch mit einem eigenen Volk. Zum Schuljahr 2019/20 wurde die Schulimkerei des Berufskollegs ein Bürgerprojekt der Stadtwerke und die Schule konnte für 7200 Euro eine Imkerausrüstung anschaffen.
Schüler: „Das ist sehr viel spannender als theoretischer Unterricht“
Die 18-jährige Lea schwärmt vom Projekt: „Das ist sehr viel spannender als theoretischer Unterricht. Hier können wir unser Wissen endlich mal praktisch anwenden“. Mitschülerin Kimberley hat im Laufe des Jahres ihre Angst vor Bienen vollkommen abgelegt. Nun bringt sie anderen bei, dass Bienen nicht gefährlich, sondern vor allem sehr nützlich sind. Locker lässt sie eine Drohne, so nennt man die männlichen Bienen, über ihren Arm wandern.
Jonathan Junge hält ein Wabenrähmchen in der Hand und deutet auf eine Biene, an deren Bein ein brauner Knubbel haftet – eine „Varroamilbe“, die ursprünglich aus Asien stammt und die seit geraumer Zeit deutsche Bienenvölker hartnäckig befällt. „Ohne Imker würde es keine Bienenvölker mehr geben“ meint Junge. Dabei hätten Bienen eine zentrale Funktion für unser Ökosystem, da sie durch Bestäubung zur Erhaltung von Wild- und Kulturpflanzen und deren Erträgen beitragen.
Honigduft erfüllt Klassenraum
Honigduft erfüllt mittlerweile einen Klassenraum im Keller des Alice-Salomon-Berufskollegs . Hier werden die Waben zunächst erhitzt, um geschlossene Waben zu öffnen und anschließend geschleudert, sodass der Honig in eine große Trommel und durch ein Sieb in einen Eimer fließt. Bald darauf hält man ein Glas des „Alices Sommerblüten Honig“ in der Hand.
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