Washington/Bochum.. Ein Neugeborenes ist amerikanischen Medizinern zufolge nach massiver Medikamentengabe von HIV geheilt worden. Es wäre das erste Mal, dass die tödliche Immunschwächekrankheit mit medikamentöser Behandlung besiegt wurde. Der deutsche Aids-Forscher Prof. Norbert Brockmeyer aus Bochum spricht von einem großen Erfolg.
Ein Neugeborenes mit Aids-Virus ist amerikanischen Medizinern zufolge durch schnelle und massive Medikamentengabe allem Anschein nach geheilt worden. Das Kind ist heute zweieinhalb Jahre alt und weist keine Spuren von HIV mehr auf. Das wurde am Sonntag auf einer Fachtagung in Atlanta bekannt. Wenn die Ergebnisse weiterer Prüfung standhalten, wäre es das erste Mal, dass die tödliche Immunschwächekrankheit mit medikamentöser Behandlung besiegt wurde.
Die bislang einzige bekannte Heilung ist der Fall des „Berliner Patienten“ 2007: Der damals in der deutschen Hauptstadt lebende HIV-infizierte US-Amerikaner Timothy Brown bekam wegen seiner Leukämie Knochenmark von einem Spender transplantiert, der seltenerweise gegen HIV resistent war. Brown gilt als geheilt; voriges Jahr bestätigte er im Nachrichtensender CNN, dass in zahlreichen Tests keine Viren mehr nachgewiesen worden seien.
Infizerte Mutter kam erst kurz vor der Geburt ins Krankenhaus
Weltweit werden jedes Jahr rund 330 000 Kinder mit dem HIV-Virus geboren oder infizieren sich beim Stillen bei ihrer erkrankten Mutter. Ein Problem vor allem in den ärmeren Ländern Afrikas, in denen schwangere Frauen mit Aids nicht routinemäßig mit anti-viralen Medikamenten behandelt werden. Würden sie diese Mittel bekommen, verbunden mit einer Therapie, die sechs Wochen nach der Geburt beginnt, könnte dies die Übertragung des Virus verhindern.
Auch vor diesem Hintergrund lässt der von US-Forschern publizierte Fall in Mississippi aufhorchen. Die HIV-positive Mutter tauchte erst kurz vor der Geburt des Kindes in einem Krankenhaus der Hauptstadt Jackson auf. Während ihrer Schwangerschaft hatte sie keinerlei Vorsorge erhalten. Die Ärzte entdeckten ihre eigene HIV-Infektion erst bei den Untersuchungen in der Klinik. Zu diesem Zeitpunkt war es längst zu spät für eine Therapie, die dem Kind helfen konnte.
In Zusammenarbeit mit der „University of Massachusetts Medical School“ entschieden die behandelnden Ärzte, das Baby unmittelbar nach der Geburt zu behandeln. 29 Tage später konnte bei dem Säugling der Virus schon nicht mehr festgestellt werden. Die Mutter brach die Nachsorge-Untersuchungen nach wenigen Monaten ab. Als sie das Kind im Alter von fast zwei Jahren noch einmal vorstellte, war es virusfrei, obwohl es keinerlei Medikamente mehr erhalten hatte.
„Wir nennen das eine funktionale Heilung“, erklärt Katherine Luzuriaga von dem Forscherteam aus Massachusetts. „Bezogen auf Kinderheilkunde ist das Baby unser Timothy Brown“, sagte Deborah Persaud vom John-Hopkins-Kinderzentrum in Baltimore, die Hauptautorin der Studie. „Es ist der grundsätzliche Beweis, dass wir eine Infektion heilen können.“
Aids-Forscher aus Bochumsieht Erfolg als Bestätigung
Der Schlüssel zur Heilung sei ein regelrechtes Bombardement des Säuglings mit hochwirksamen Medikamenten gewesen. Bereits 30 Stunden nach der Geburt begannen die Ärzte mit der Gabe einer Kombination hochwirksamer antiretroviraler Medikamente (ART).
Norbert Brockmeyer , Leiter des Kompetenznetzes HIV/AIDS am St. Josef-Hospital in Bochum: „Wir sind seit Langem auf diesem Weg. Es gibt auch eine Reihe Studien, die den Erfolg erwarten ließen. Nun zeigt dieser Vorgang, dass unser Konzept aufgeht. Was diese Therapie angeht, sind wir übrigens in Deutschland führend.“
Brockmeyer sieht den Erfolg als Bestätigung für den Ansatz, sehr früh zu therapieren. „Dann besteht die Chance, die stattgefundene Infektion zu eliminieren.“ Die „tolle Nachricht vom genesenden Baby“, so Norbert Brockmeyer, versteht der Arzt als Botschaft an Menschen, die glauben, sich infiziert zu haben. „Statt sich erst mit den Sorgen und Ängsten zurückzuziehen, sollte man sofort zum Arzt gehen.“ Es bestehe die große Hoffnung, dass die Therapie die Infektion stoppen kann.