Bochum..

Das Urteil des Kölner Landgerichtes, das jetzt die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als eine Körperverletzung wertet, sorgt auch für Unruhe in der Jüdischen Gemeinde in Bochum. Der Vorsitzende des Gemeinderates, Dr. Michael Rosenkranz, ist Arzt und nimmt zudem für die Gemeinde die Aufgabe des Mohel (ritueller Beschneider) wahr. Er weiß, dass die Rechtslage rund um die Beschneidung von Jungen in der islamischen und jüdischen Religion seit vielen Jahren sehr unsicher ist.

„Es hat in den letzten Jahren nicht viele Beschneidungen in Bochum gegeben. Ein Problem habe ich aber noch nie bekommen“, erläutert Rosenkranz. Die Zahl der Beschneidungen, die üblicherweise am achten Tag nach der Geburt eines Jungen stattfindet, sei zudem deshalb recht niedrig, weil viele Familien aus der Gemeinde ihr Judentum früher nicht praktiziert hätten.

Rechtsprechung ist ein unsensibler Akt

Unterdessen hat der Zentralrat der Juden in Frankfurt das Urteil des Landgerichtes Köln, das aufgrund der Beschneidung eines vierjährigen muslimische Jungen, bei dem es nach der Beschneidung zu Nachblutungen gekommen war, scharf verurteilt. Dr. Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats: „Diese Rechtsprechung ist ein unerhörter und unsensibler Akt. Die Beschneidung von neugeborenen Jungen ist ein fester Bestandteil der jüdischen Religion und wird seit Jahrtausendern praktiziert. In jedem Land der Welt wird dieses religiöse Recht respektiert.“

Bei der Beschneidung nach jüdischem Ritus (Brit Mila) entfernt der Beschneider (Mohel) in einer genau vorgeschriebenen religiösen Zeremonie die Vorhaut des Neugeborenen. Zum Ritual gehört auch, dass das Kind zuvor einen winzigen Schluck Wein (Foto) zu sich nehmen darf.

WHO empfiehlt Beschneidung als Schutz vor Aids

Rosenkranz, der als Allgemeinmediziner praktiziert , weiß um die oft jahrhundertealten Vorurteile und hasserfüllten Fantasien, die dem Judentum entgegengebracht werden. Das geht vom frei erfundenen Hostienfrevel bis zu den angeblichen Ritualmorden durch Juden. Bis heute halten sich übrigens solche meist antisemitisch motivierte Legenden.

Beim Thema Vorurteil fällt Dr. Rosenkranz, der noch in dieser Woche eine Besuchergruppe durch die Synagoge führte, das Beispiel mit von einer weiblichen Teilnehmerin ein. Die Frau habe sich nach dem Hintergrund des Schächtung erkundigt. Nachdem er Sinn und Ablauf (der Körper des Tieres soll über einen einzigen Schnitt am Hals besser ausbluten) erklärt hatte, habe die Frau eingeräumt: „Ach, hätte ich das gewusst, hätte ich niemals so gegen das Schächten argumentiert.“

Zum Thema Beschneidung weist der Mediziner zudem darauf hin, dass noch vor wenigen Jahren die Weltgesundheitsorganisation (WHO) speziell in Südafrika das Beschneiden von Jungen und Männern ausdrücklich empfohlen hätte. Hintergrund sei, dass es Studien gegeben habe, dass beschnittene Jungen sich weniger häufig mit Aids infizierten als unbeschnittene.