Bochum. Ein Mann will älter werden, als die Männer seiner Familie es vor ihm geworden sind. Dafür musste er schon zweimal den Krebs besiegen.
Der Vater wurde 77 Jahre alt, der Großvater 78, der Onkel 79. Wolfgang Grundeck will älter werden, der älteste aller heute bekannten Männer aus seiner Familie. Deswegen hat er aufgehört zu trinken, als er Mitte 30 war. Heute ist er 62. Und wenn er seine Geschichte erzählt, dann scheint es wie ein Wunder, dass er noch da ist.
Zum ersten Mal kam der Krebs, als Grundeck die schönste Zeit seines Lebens gerade hinter sich lassen musste. Er hatte Karriere gemacht und seine beiden Töchter zu Teenagern heranwachsen sehen. Dann, Grundeck war 46 Jahre alt, wurde er plötzlich entlassen, weil in seiner Branche die Aufträge wegbrachen. Er wollte sich sammeln und dann neu starten: „Ich habe erstmal zu Hause renoviert“, sagt er. Dann merkte er, dass sich ein Hoden verdickte. Hodenkrebs. Zwei Wochen später wurde Grundeck der rechte Hoden abgenommen. „Da ist innerhalb von zwei Monaten eine Welt zusammengebrochen. An sowas hätte ich doch nie gedacht“, sagt er, obwohl er kurz zuvor bei einer Vorsorge-Untersuchung war.
Vorsorgeverhalten der Männer „desolat“
Damit aber ist er eine Ausnahme unter den Männern. Eine Untersuchung des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung zeigt, dass im Jahr 2011 nur 13,3 Prozent der 45 – 49jährigen die Krebsfrüherkennungsuntersuchung, die Männern ab 45 Jahren angeboten wird, nutzten. Professor Dirk Behringer, Chefarzt, der Augusta-Onkologie-Klinik, glaubt, dass Männer eher zum Arzt gehen, wenn sie tatsächlich etwas haben, als sich vorsorglich untersuchen zu lassen. Besonders für die Untersuchung nach Prostatakrebs sei „das Vorsorgeverhalten desolat.“
Wolfgang Grundeck musste nach seiner Operation zur Nachsorge. Drei Tage vor Weihnachten waren seine Tumormarkerwerte hundertfach größer als sie sein durften. Zu Jahresanfang begann seine Chemotherapie: „15 Liter von dem Giftzeug haben die durch den Körper gejagt, zweimal Infusionen, einmal Spülung, montags bis samstags.“ Grundeck dachte an Selbstmord, fand aber Halt in der Reha, als er viel mit anderen Patienten spazieren ging. Fünf Jahre später beim Wandern: Der zweite Hoden wird dick. Wieder Hodenkrebs, „wieder die gleiche Prozedur“, sagt Grundeck. „Krebs ist die Pest des 21. Jahrhunderts.“ Dann erzählt er von einem Schlaganfall und einem Luftröhrenschnitt. Er lacht. Er fühlt sich gut.