Manche Geschichten haben so viele Packenden, dass es dem Versuch gleichkommt, in einem fußballgroßen Wollknäuel Anfang oder Ende des Fadens zu erhaschen. Der Kabeisemannshof, direkt an der Grenze der alten Städte Wattenscheid und Bochum gelegen, sitzt mitten in einem solchen Knäuel – ein Ort, in dem sich wie in einem Spiegel Bochumer Stadtgeschichte abbildet. Doch davon später. Jedenfalls fürchten manche, dass das unter Denkmalschutz stehende Gehöft vollends von der Landkarte verschwinden könnte.
Die Nachricht vom Brand, später stellte sich heraus, dass nur Brandstiftung infrage kommt, der am 8. August vergangenen Jahres einen Teil des geschützten Längsdielenhauses zerstörte, ging als Notiz beinahe unter im Alltag der Stadt. Doch es ist ein Ort mit Geschichte. Bis ins 9. Jahrhundert lässt sie sich verfolgen.
Carl Arnold Kortum erwähnt den Hof bereits im Zusammenhang mit dem Grafen Cobbo: „Der Platz, wo dieser Graf eines seiner Hauptschlösser gehabt und dessen Familie nachher gewohnt hat, wird noch jetzt gezeigt. Es ist ein großer Meyerhof eine halbe Stunde von Bochum entlegen. (...) Der Meyerhof wird auch jetzt noch Kobeysem genannt, welches Wort, ohne Zweifel, ursprünglich Cobonisheim, oder die Wohnung des Cobbo andeuten soll.“ Zu Kortums Zeiten, um 1790, sollen in dem ehemals an den Hof angrenzenden Weiher sogar Mauerreste des Schlosses vorhanden gewesen sein.
Eine Theorie kündet davon, dass der Name Bochum ursprünglich auf dieses Schloss und seinen Grafen zurückzuführen ist. Cobucheim, Bucheim und zuletzt Bochum. Doch gilt diese Lesart heute als wenig wahrscheinlich.
Wie auch immer: Als der bekannte Bochumer Lebensmittelgroßhändler und Spediteur Hans-Josef Dewender das Anwesen 2005 zusammen mit 52 Hektar landwirtschaftlicher Fläche erwarb, stand der Hof Jahre ungenutzt. Die Familie Kabeisemann (siehe Artikel unten) hatte den Hof bereits etwa um 1874 verkauft.
Stadt wird langsam ungeduldig
Schon 1853 wanderten Wilhelm und Anna Maria Kabeisemann mit ihrem vierjährigen Sohn Friedrich Wilhelm nach Amerika aus. Dort leben Nachfahren der Familie noch heute. Vor acht Jahren kam Peg Shroll auf den Spuren ihres Ur-Ur-Großvaters Wilhelm nach Bochum, selbstverständlich auch zum damals noch unbeschädigten Hof ihrer Ahnen.
Bilder zeigen Bochum, wie es früher war
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Hans-Josef Dewender ist sich der Geschichte des Ortes natürlich bewusst. Das geschützte westfälische Langhaus mit der Jahreszahl 1853, wahrscheinlich steht es auf weit älteren Grundmauern, soll zu einem gehobenen Restaurant ausgebaut werden. Als Herzstück eines von Dewender geplanten Autohofes mit 175 Pkw und 86 Lkw-Stellplätzen. Dann kam der Brand: „Natürlich wird das Gebäude gesichert. Ein Teil davon ist bereits geschehen. Es stehen Gutachten aus.“ Die Stadt bestätigt die Gespräche mit Dewender. Schließlich ist sie als untere Denkmalbehörde zuständig. Es gilt, jetzt das Dach abzudichten, damit der Schaden nicht noch größer wird. „Bisher“, so Dr. Hans Hanke, der als Denkmalpfleger vor bald zehn Jahren für die Unterschutzstellung sorgte, „scheinen die Schäden überschaubar.“ Doch die Stadt wird langsam ungeduldig, . „Uns ist dieses Denkmal wichtig“, so Sprecher Thomas Sprenger. Kommt es zu keiner gütlichen Einigung, könnte sogar ein Zwangsgeld erhoben werden.
Stifterfamilien der Wattenscheider Gertrudiskirche
Das Wappen des Hofes Kabeisemann, prangt auch in der Wattenscheider Gertrudiskirche. Die Familie gehörte zu den Stifterfamilien der alten Pfarrkirche. Urkunden belegen die Existenz des Hofes erstmals für das Jahr 1379. Ei noch in Bochum lebender Nachfahre der Kabeisemanns, Johannes Rüttermann, dessen Ur-Ur-Ur-Großmutter eine geborene Kabeisemann war, machte sich auf ein akribische Zeitreise in die Vergangenheit.
Dabei stieß er auf eine spannende Auswanderergeschichte, die ihn auch einen Blick in den „Wilden Westen“ der USA werfen ließ. Denn die Kabeisemanns siedelten sich zunächst in Iowa an. Nur vier Monate nach ihrer Ankunft kauften sie am 14. Januar 1854 dort ein Stück Land. Die Familie Holthaus – auch ursprünglich aus der Gegend stammend – besaß beinahe angrenzend ebenfalls ein Stück Ackerland.
Rüttermann fand heraus, dass Wilhelm Kabeisemanns Sohn Friedrich Wilhelm noch einmal zurück kam in seine Heimatstadt. Im Jahre 1874 starb der letzte Kabeisemann auf dem Hof, der dann verkauft wurde. Die Zeit der großen Bauernhöfe war in Bochum vorbei, die Zechenbesitzer fraßen das Land und viele Bauern profitierten, allerdings um den Preis ihres Berufes.
Auf den rund 52 Hektar, die vom alten Hofbesitz übrig sind, wird immer noch Landwirtschaft betrieben. Hans-Josef Dewender hat es an einen Landwirt verpachtet.´
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