Bochum.
Kornharpen kennen viele Bochumer und Ruhrgebietler hauptsächlich von der Durchreise: Auf dem Weg zum Einkaufszentrum Ruhr-Park passieren Anreisende aus süd-westlicher Richtung den beschaulichen Ortsteil – und hinterlassen bei den Anwohnern ihre Spuren.
„Früher war hier alles dörflich“, sagt Ernst Hirsch, der den Wandel der letzten sieben Jahrzehnte mitverfolgte. Er erinnert sich, dass Kornharpen einst aus neun Bauernhöfen, einigen weiteren Wohnhäusern, Feld und Wiese bestand. „Davon ist kaum etwas geblieben“, so Hirsch. Dennoch ließe es sich hier aushalten:
Die Enkeltochter des „Kornharpener Ur-Gewächses“ ist Kornharpenerin in bereits fünfter Generation. Von der verbliebenen Idylle des Gebiets, das heute eingekesselt zwischen A 40, A 43, Sheffield-Ring und einer Bundesbahnstrecke liegt, kann man sich auf einem Spaziergang überzeugen, wenngleich sich Motorengeräusche von Zeit zu Zeit in den Vordergrund der Wahrnehmung drängen.
Nachspiel in der „dritten Halbzeit“
Los geht’s am Elternhaus des „Stadtteilpaten“ an der Wieschermühlenstraße 5, in dem sein Großvater eine Metzgerei betrieb. „In diesem Haus habe ich viele wichtige Stationen meines Lebens verbracht: Hier wurde ich geboren und konfirmiert, hier habe ich geheiratet“, sagt Hirsch. Heute wohnt er mit seiner Frau gleich hinter dem Haus mit der hellen Fassade, das durch die hohen Fenster und das herausstehende Giebelhäuschen als eines der wenigen Überbleibsel vergangener Zeiten zu erkennen ist.
Zur Rechten gehen wir auf der Straße Zur Burkuhle an der Kneipe vorbei, die Hirsch zufolge damals wie heute den dörflichen Mittelpunkt bildete: „Alt Kornharpen“, einstmals „Zur guten Quelle“, sei trotz Besitzerwechsels ein beliebter Treffpunkt geblieben. An der gleichen Straße liegt die Vereinsstätte des FC Vorwärts Kornharpen. Seit 1956 ist Hirsch Vereinsmitglied und noch immer aktiv: Freitags um 18 Uhr trifft er sich mit den älteren Semestern des Kornharpener Fußballs zum Training; „jeder so wie er kann“ und natürlich „mit anschließender dritter Halbzeit“ im Vereinsheim.
"Wir sehen uns hier noch immer als Dorf"
Am Fußballplatz vorbei führt die Burkuhle in den ländlichen Teil Kornharpens, der nach lokalem Sprachgebrauch „das untere mit dem oberen Dorf“ verbindet: Ein leichtes Stück bergauf gelangt man auf einem Trampelpfad zwischen hochgewachsenen Mais- und Kornfeldern zum Geschäftszentrum des Ortsteils. Am Grünen Weg, wo in den letzten Jahrzehnten neue Wohngebiete entstanden, liegen ein zweistöckiges Ärztehaus, eine Apotheke, eine Sparkasse und ein kleiner Supermarkt. „Das alles gab es hier früher nicht, dafür musste man nach Harpen fahren“, sagt Hirsch, der sich vom Nachbarort, zu dem Kornharpen einst gehörte, abgrenzt: „Zuerst bin ich mal Kornharpener und dann erst Harpener“, lacht er.
Nach einem Abstecher zur inzwischen begrünten ehemaligen Zentraldeponie führt uns ein sandiger Fußweg entlang der alten Wieschermühlenstraße zurück in Richtung Hirschs Wohnhauses. Das Rauschen der Autobahn, der A 43, ist unüberhörbar, dennoch liegen zu den Seiten dichter Wald und weites Feld. „Als Kinder war das hier für uns ein El Dorado“, erinnert sich Hirsch. „Von hier aus wurden die Kühe durchs Dorf getrieben. Damals hätten wir uns nicht träumen lassen, dass hier mal die Autobahn hergeht.“
Dennoch hängt er nach wie vor an seinem Kornharpen, einem der kleinsten Bochumer Stadtteile: „Wenn wir in die Innenstadt fahren, fahren wir „in die Stadt“ oder „nach Bochum“. Wir sehen uns hier noch immer als Dorf.“