Bochum. 15 Leser blickten zum Abschluss unserer Aktion hinter die Kulissen des Schauspielhauses. Nur jeder zehnte der 280 Mitarbeiter agiert auf der Bühne.
Ach du Schreck, das Ohr ist weg: Die blau-schwarz-weiße Holzkuh hat den Fototermin nicht heil überstanden. Ein Lauscher ist abgebrochen. „Nicht schlimm“, beruhigt Petra Krolikowski, die die WAZ-Gruppe durch das Schauspielhaus führt. Das Rindvieh wird erst im Dezember bei der Wiederaufnahme von „Michel aus Lönneberga“ gebraucht. „Bis dahin hat die Werkstatt das Ohr wieder angeklebt.“
Theater: Das ist auch jede Menge Handwerk. Das erfuhren 15 Leser, die zum Abschluss der Aktion „Die WAZ öffnet Pforten“ zu Gast im Schauspielhaus waren. Alle kennen die Bretter, die die Welt bedeuten, von mehr oder weniger zahlreichen Besuchen in Bochums berühmtem Musentempel. Hinter die Kulissen des Theaterbetriebes jedoch durfte noch niemand gucken.
Kopf in den Nacken
Petra Krolikowksi überrascht mit Zahlen, mit denen so niemand gerechnet hat. Gerade mal jeder zehnte der 280 Mitarbeiter ist Schauspieler. Weitere 40 sind dem künstlerischen Bereich zuzurechnen, etwa die Regisseure oder Bühnenbildner. Heißt: Drei Viertel der Belegschaft sorgt abseits der Scheinwerfer dafür, dass die Mimen und sonstigen kreativen Köpfe an der Königsallee allabendlich vor Publikum glänzen können.
Wo und wie das geschieht, sehen, hören, riechen und fühlen die WAZ-Leser in den folgenden 90 Minuten. Im denkmalgeschützten Großen Haus aus dem Jahr 1953 mit dem Charme der Wirtschaftswunderzeit (Tulpenlampen!) bestaunen sie die Technik hinter der Bühne. Kopf in den Nacken: Die Galerien sind 21 Meter hoch. Links und rechts wird gesägt und gehämmert: Das Bühnenbild für die Spielzeit-Premiere von Tschechows „Der Kirschgarten“ am 5. September ist fast vollendet. Eine Uralt-Kaffeekanne und Tassen als stilechte Requisiten stehen bereit.
25 Stücke hat das Repertoire-Theater ständig im Programm. Das Ensemble ist klein, auf Kante genäht. Krankheit? Gibt’s nicht. Ein Beruf aus Leidenschaft, der mitunter auch Leiden schafft.
2500 Euro für ein Kilo Echthaar
„Das Fleischwerk“ steht zum Saisonstart in den Kammerspielen auf dem Spielplan. Die Leser begutachten die Laufbänder, die in dem bizarren Stück eine wichtige Rolle spielen. Die Aufbauten werden in der theatereigenen Schreinerei und Schlosserei erstellt. Eine Damen- und Herrenschneiderei, ein Malersaal und ein Schuhmacher gewährleisten zudem, dass das Schauspielhaus quasi ein Selbstversorger ist. So erklären sich auch scheinbar rätselhafte Hinweisschilder wie „Schnee liegt jetzt im Fummel-Lager“. Schnee: Das sind weiße Kunststoffteilchen, die den Winter ins Haus bringen. Fummel-Lager: Das ist die Aufbewahrungsstätte u.a. für Vorhänge. Stoffe, Gestelle, Kostüme, Schuhe und mehr: Fast alles wird wiederverwertet. Theater als Recyclingbetrieb.
Investiert werden muss gleichwohl noch. Das erfahren die Leser in der Maske, in der 13 Maskenbildner ihr Handwerk ausüben. Für die Perücken wird Echthaar aus Asien eingekauft; ein Kilo der fernöstlichen Haarpracht kostet 2500 Euro. Ein Liter Theaterblut gibt’s für 50 Euro. Auch Eiter (zum Glück nur künstliches) ist im Angebot. „Iiiii“, ekelt sich eine Leserin.
Vorfreude weckt der Abschied. Die Proben zu „Spamalot“ gestalten sich schwierig, plaudert Petra Krolikowski aus dem Nähkästchen. Die Monty-Python-Komödie sei derart komisch, dass sich die Schauspieler stellenweise vor Lachen kaum einkriegen. Das kann ja Eiter, ‘tschuldigung: heiter werden.