Bochum. Mit einem offenen Brief wehrt sich die Freie Kultur-Szene in Bochum dagegen, dass die Stadtwerke Bochum Fördergelder per Online-Abstimmung an Vereine und Kultureinrichtungen in der Stadt verteilen. Die freien Kultureinrichtungen sehen sich als Opfer der Affäre um die “Atrium-Talk“-Honorare.

Bochums Kulturschaffende der Freien Szene haben sich in einem offenen Brief positioniert. Anlass war das Voting im Rahmen des neuen Sponsoringkonzeptes der Stadtwerke, das zum Schluss zu einem „Rattenrennen“ um Fördergelder ausgeartet war.

Die „Freien“ wenden sich gegen diese Mittelvergabe „mit der Gießkanne“: „Es hat sich gezeigt, dass eine populistische Abstimmung kein Instrument einer gezielten Förderung der Kulturszene sein kann“, heißt es in dem Brief, der den Medien, der Politik und dem Kulturdezernenten zuging. Der offene Brief war gestern das Top-Thema im Bochumer Kulturleben.

Freie Insitutionen auf Finanzhilfen angewiesen

Der Brief ist in einem offensiven Tonfall verfasst, was darin begründet liegen mag, dass freie Institutionen noch mehr als die etablierten Einrichtungen auf kommunale Finanzhilfen angewiesen sind. Unterschrieben ist der Brief u.a. vom Prinz Regent Theater, dem Figurentheater der Nationen, dem Bochumer Kulturrat, dem Bahnhof Langendreer und dem Figurentheater Wilde Hummel – keine dieser Einrichtungen wäre ohne öffentliches Geld langfristig überlebensfähig.

„Wegen ihrer über Jahre schwierigen Haushaltslage hat die Stadt die Kulturinstitutionen immer wieder an ihre Tochtergesellschaften Sparkasse und Stadtwerke verwiesen“, heißt es in dem Schreiben. Dann kam die Atrium-Talk-Affäre, die eine Verschwendung öffentlicher Gelder ans Licht brachte. Also zogen die Stadtwerke die Notbremse und riefen eine Internet-Abstimmung ins Leben, die bei den Kultur-Akteuren eher schlecht ankam.

„Bei diesem Voting geht es vor allem um die größtmögliche Demutsgeste der Stadtwerke gegenüber der Öffentlichkeit. Langjährig geförderte Institutionen, mit deren überregionalen Erfolgen sich die Stadtoberen gern schmücken, fallen dabei plötzlich durchs Raster“, so der Offene Brief. Tatsächlich waren pötzlich Sommeruniformen für ein Musikkorps förderwürdig, eine Theaterproduktion im Prinz Regent aber nicht. Als „scheindemokratisches Abstimmungs-Event“ wird das Vorhaben bezeichnet, „mit dem sich die eigentlich Verantwortlichen aus der Verantwortung stehlen“.

Vorwürfe gegen Michael Townsend

Gemeint sind Politik und Kulturverwaltung. Vor allem gegen Michael Townsend werden Vorwürfe laut: „Der Kulturdezernent verweigert ein Gespräch mit der Begründung, sich in Angelegenheiten eines städtischen Tochterunternehmens nicht einmischen zu dürfen. Es wäre aber sein Job, als Vermittler zwischen Kunstszene, Politik und Verwaltung zu agieren.“ Der Angesprochene zeigte sich im Gespräch mit der WAZ „irritert“ über die Anwürfe. Es habe „selbstverständlich“ intensive Gespräche mit allen Trägern der freien Szene gegeben, so Townsend, und es sei gelungen, den Bestand der Kulturinstituionen über alle Haushaltsbeschränkungen hinweg  zu garantieren. Im Übrigen habe die Kulturverwaltung auf Unternehmensentscheidungen wie die der Stadtwerke keinen Einluss. Townsend: „Sollte es aber finanzielle Verwerfungen geben, muss natürlich neu überlegt werden."