Bochum. Mit dem Prinzenpaar Rosenmontag feiern: Die WAZ wagte den Selbstversuch in Bochum. Prinz Jürgen I. und Prinzessin Anke I. zogen durch die ganze Stadt, entmachteten die OB und warfen kiloweise Kamelle. Ein närrischer Erlebnisbericht.

„So eine Stimmung, wie die hier morgens um zehn haben, gibt es anderswo abends um 22 Uhr nicht!“ Prinz Jürgen I. ist schon vor seinem ersten Auftritt am Rosenmontag hellauf begeistert. Er und seine Prinzessin Anke I. sind das amtierende Stadtprinzenpaar und haben am höchsten Tag der Karnevalsjünger einen vollen Terminkalender.

Höhepunkt gleich zu Beginn

Der Rosenmontag beginnt gleich mit dem Höhepunkt des Tages: dem alljährlichen Besuch in der Werkstatt Constantin. Hier hat die bunte Truppe bereits ihre Fans, die Mitarbeiter freuen sich jedes Jahr aufs neue besonders auf die Darbietung der „Schlappen Lappen“. Um kurz nach halb neun hält die Fahrzeugkolonne vor dem Gebäude. Das Prinzenpaar wird von Lappenmariechen Annika, den Adjutanten sowie der   Vereinsvorsitzenden Anja begleitet.

Um 8.55 Uhr wird die Bühne geentert, die Stimmung ist sofort auf dem Siedepunkt. „Letztes Jahr konnten wir hier leider nicht auftreten“, berichtet Prinzessin Anke I. vorab, „das Noro-Virus hat hier gewütet. Jetzt gibt es hier natürlich Nachholbedarf.“ Die etwa 300 anwesenden Mitarbeiter der Constantin-Werkstatt kennen das Programm der Schlappen Lappen, inbrünstig werden die Texte mitgejohlt und im Takt mitgeklatscht. Dem werkstatteigenen Prinzenpaar folgen vereinzelt Constantin-Angestellte auf die Bühne und schunkeln im Takt. Wer im Rollstuhl sitzt, tanzt einfach mit dem Rest des Körpers.

Rathaussturm

Nach der lautstark eingeforderten Zugabe geht es schließlich wieder weiter, der Sturm auf das Rathaus steht als nächstes auf dem Plan. Um 9.40 Uhr empfängt OB Dr. Ottilie Scholz (mit neckischer blauer Federboa!) die Prinzenpaare aus dem Stadtgebiet. Mittlerweile haben sich auf dem Rathausplatz viele Feierwütige eingefunden, der Wettergott spielt ihnen zu. Bei strahlend blauem Himmel wird gewunken und „Helau!“ gerufen, was das Zeug hält.

Gemeinsam geht es in den großen Ratssaal, wo in großer Runde die Bochumer Karnevalslegende Schutzmann Theo in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet wird. „Der Vorhang fällt, das Licht geht aus – der alte Narr geht jetzt nach Haus“, so seine Worte. OB Scholz wird schließlich entmachtet, Prinzessin Anke I. nimmt den goldenen Stadtschlüssel an sich und verspricht gemeinsam mit ihrem Prinzen: „Alle Straßen werden neu geteert, das Minigolfspiel auf Bochums Straßen hat ein Ende.“

Zug durch Linden

Weiter geht’s zur „Zunft der kleinen Meister“. Das Prinzenpaar zeigt keine Müdigkeit, allerdings macht sich der Magen bemerkbar, der hängt nämlich mittlerweile in den Knien. Gott sei Dank gibt es einen Wurststand! Dieser findet nach dem mittlerweile dritten Auftritt des Tages regen Zuspruch durch die Schlappen Lappen. Doch für mehr als die schnelle Wurst zwischendurch reicht es nicht: Der Karnevalszug in Linden wartet schon!

Um Punkt zwölf ist es dann soweit, das Prinzenpaar wird samt Anhang in den Bochumer Südwesten kutschiert. Als die beiden in Linden ankommen, werden sie bereits von den ersten Narren begrüßt. Anke und Jürgen bleiben kaum länger als eine Minute an einer Stelle stehen, sie klönen mit einem Bekannten nach dem anderen. „Normalerweise haben wir für einen Termin 20 bis 30 Minuten Zeit, bevor wir zum nächsten müssen“, berichtet Jürgen. Die „Schlappen Lappen“ machen den Wagen währenddessen zugfest, beladen ihn mit unzähligen Kisten voller Kamelle. „Das ist einer meiner Höhepunkte für diese Session“, sagt Anke. „Es kommen viele Verwandte und Freunde.“

Bunte Masse von oben

Während der Start des Umzuges näher rückt, springt sich das Prinzenpaar und einige der „Schlappen Lappen“ auf dem Wagen warm, der unter der Feierei wackelt. Dann setzt sich der Zug mit Schrittgeschwindigkeit in Bewegung. Als er auf die Hattinger Straße abbiegt, werden die Augen von Anke und Jürgen freudig größer. Jetzt sind sie mit ihrer Hauptaufgabe beschäftigt, dem Kamelle-Schmeißen.

Mit erwartungsvollen Blicken und lauten „Helau“-Rufen schauen kleine Cowboys, Prinzessinnen und Superhelden am Wagen hoch, immer in der Hoffnung, vom Regen aus Süßigkeiten und Spielzeug etwas abzukriegen. Je höher die Hausnummern der Häuser an der Hattinger Straße werden, umso größer wird auch die Menschenmenge. Vom Wagen aus betrachtet sieht sie aus wie eine bunte Masse. „Ganz schön viele, oder“, fragt Jürgen strahlend, die Augen noch größer.

Gut zwei Stunden dauert es, bis der Zug am Marktplatz einkehrt. Das Prinzenpaar scheint etwas erschöpft, aber glücklich. „Die Stimmung war super. Es waren eine Menge Menschen da, die einem zugejubelt haben. Es ging alles trotzdem sehr schnell.“