Bochum.. Eine sechsköpfige afghanische Flüchtlingsfamilie soll nach Norwegen zurückgeschickt werden. Doch sie wollen lieber in Bochum bleiben.


Die Angst, erneut eine feste Bleibe verlassen zu müssen, treibt die sechsköpfige afghanische Flüchtlingsfamilie Qarizade in die Öffentlichkeit. Nach einer wochenlangen Odyssee quer durch den Nahen Osten und Europa kamen sie Ende 2015 nach Bochum, schwer traumatisiert. Doch davon später.

Noch kurz bevor sie am Nikolaustag in der letzten Woche ihre Anhörung im Asylverfahren bei der Bochumer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wahrnahmen, kam per Post der Hinweis, dass drei Familienmitglieder sich auf den Weg nach Norwegen begeben sollen, die drei anderen rechnen mit einer ähnlichen Nachricht.

Netzwerk „Hamme hilft“

Mit Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer des Netzwerkes „Hamme hilft“ haben sie hier eine einfache Wohnung gefunden, zwei Söhne leisten ein Praktikum, sie beginnen, die deutsche Sprache zu lernen. Mutter Belqis und die 20-jährige Tochter Kübra werden psychotherapeutisch betreut. Beide Frauen, aber auch der Rest der Familie, leiden unter schlimmen Erlebnissen, können kaum darüber sprechen, was sie aus ihrer Heimat in Kabul getrieben hat.

Taliban entführten und töteten Tochter

Vor dem Mitarbeiter des BAMF mussten sie dies gleichwohl tun, jeder für sich. Es sind die Ereignisse aus der brutalen Welt des Bürgerkriegs in Afghanistan, die die Familie fast zerrissen hätten. Der 19-jährige jüngste Sohn Zafar spricht schon ein wenig Deutsch. Anne Tenholt von der ehrenamtlichen Gruppe „Hamme hilft“ unterstützt ihn, wenn er erzählt, was passiert ist in Kabul.

Vater Ahmad arbeitete am Kabuler Flughafen. Als Soldat, als Offizier der afghanischen Streitkräfte, tat er dort Dienst, zehn Jahre lang. Eines Tages sei er von Taliban-Leuten angesprochen worden. Sie verlangten Informationen über den Flughafen, boten dafür Geld. „Mein Vater hat dies abgelehnt“, berichtet Zafar. Hilfe habe es keine gegeben, Militär und Polizei hätten selbst große Angst gehabt.

Anwältin soll jetzt helfen

Die Taliban entführten Lina, die zweite Tochter der Familie. Die junge Frau wurde ermordet. Tage später habe der Vater einen Videoanruf von den Entführern bekommen. Darauf sei die Leiche der Schwester zu sehen gewesen. Dann sei ein Drohbrief angekommen.Der Inhalt. Wenn es keine Zusammenarbeit mit den Taliban gebe, würden alle Familienmitglieder das gleiche Schicksal erwarten.

Anne Tenholt, die sich auch um andere Flüchtlinge kümmert, weiß, warum jetzt die Rückführung nach Norwegen droht: Die Familie reiste zwar zuerst nach Deutschland ein. Den Asylantrag stellte sich jedoch in Norwegen. Aufgrund eines Gerüchts zogen sie damals nach Oslo. Es habe geheißen, Deutschland würde Flüchtlinge aus Afghanistan ausweisen.

Mit Hilfe einer Anwältin wollen sie jetzt versuchen, doch noch die Rückführung nach Norwegen zu verhindern.