Bochum..

Es war die größte Übung der Feuerwehr Bochum seit zwei Jahren. Über 300 Rettungskräfte versuchten Passagiere zu retten, die Gast auf einem brennenden Ausflugsschiff gewesen waren.

Auch die DLRG war bei der Übung dabei.
Auch die DLRG war bei der Übung dabei. © Ingo Otto / WAZ FotoPool | Ingo Otto / WAZ FotoPool

Um 9.15 Uhr griff Simon Heußen, Sprecher der Bochumer Feuerwehr, zum Handy und alarmierte den Notruf. Er stand am Hafen Oveney mimte einen besorgten Spaziergänger. „Können Sie schnell kommen?!“ rief er. Er sei hier am Kemnader See – das Ausflugsschiff MS Kemnade brenne, mitten auf dem Wasser. Viele Passagiere seien an Bord. Was an diesem Samstagmorgen dann folgte, dürfte halb Bochum mitbekommen haben.

Ein Rettungs- und Krankenwagen nach dem anderen saust durch die Stadt zum Stausee. Die Mannschaft ist zwar voll konzentriert, aber Sorgen um Leib und Leben muss sie sich nicht machen. Alles ist nur eine Übung. Allerdings die größte seit rund zwei Jahren in Bochum, mit über 300 Rettungskräften. Außer der Feuerwehr Bochum und Herne mitsamt den vielen Freiwilligen sind die DLRG am „Unglücksort“, das DRK, der Arbeiter-Samariterbund (ASB), das Technische Hilfswerk und der Krankentransport „Sani-Car“. „All das muss koordiniert werden“, sagt Simon Heußen.

Heller Rauch quillt aus dem Heck

Das Katastrophen-Training trägt den romantischen Namen „Wasserwelten“. Doch was am und auf dem See passiert, scheint ganz schlimm: Kurz nach 9 Uhr wird im Maschinenraum der MS Kemnade eine Nebelmaschine angeworfen. Es scheint zu brennen, heller Rauch quillt aus dem Heck. An Bord sind 54 Passagiere. „Hilfe!“ schreien sie und gestikulieren wild in Richtung Ufer. „Oh, mein Gott!“ Dann stürzt sich der erste ins kalte Wasser. Ob verletzt oder nur aus Panik, ist vom Ufer nicht erkennbar.

Ein erstes Rettungsboot rast los, um den Leblosen aus dem Wasser zu ziehen und ans Ufer vor dem Bootshaus Gibraltar zu bringen. Dort haben sich bereits weitere Menschen auf die Holzplanken gelegt. Sie tun so, als seien sie halbtot oder zumindest schwerverletzt. Der Ärmel einer Passagierin hängt in Fetzen, die Haut scheint blutrot. Am Kopf des anderen klafft scheinbar eine riesige Platzwunde; er torkelt auf dem Bootssteg. Neben ihm wird einer am Boden von einem Retter reanimiert. Eine Frau jammert wie unter Schock: „Es gab Verletzte und Tote und überhaupt!“ Wieder eine andere wimmert, bereits in eine Rettungsdecke aus Alu eingehüllt: „Ich will nach Hause!“ Vor allem das Kältezittern beherrscht sie gut.

(Echte) Jogger laufen immer wieder durch das Bild

Die Passagiere gehören alle zur DLRG in NRW. Es sind „realistische Unfalldarsteller“. Ohne jeden Anflug eines Lächelns lassen sie sich von den Rettern, die mittlerweile, teils mit lautem Tatütata, immer zahlreicher eintreffen, Kanülen für den Tropf an den Arm kleben und zur Beruhigung die Hand halten. Ein Sani, der gerade einen Kopfverband anlegt, fragt: „Nehmen Sie irgendwelche Medikamente ein?“ Ein Retter daneben muss sich von einer jammernden „Verletzten“ vorwerfen lassen, man habe ihren Freund „einfach auf dem Schiff gelassen“. Schließlich muss auch geübt werden, mit dem rein psychischen Stress von Unglücksopfern umzugehen, gerade dann, wenn er sich auf aggressive Weise entlädt.

Gegen 10 Uhr hat sich der Schauplatz mit hunderten Rettern gefüllt. Und einem riesigen Reservoir an technischem Gerät. 30 Großfahrzeuge sind im Einsatz, Zelte werden aufgebaut. Generatoren knattern vor sich hin. Schläuche werden ausgerollt. Durch das Bild laufen immer wieder (echte) Jogger und Spaziergänger. Genauso wie es wohl im Ernstfall wäre.

Ein paar hundert Meter weiter westlich, in Höhe der Straße „An der alten Fähre“, legt das THW eine Ölsperre ins Wasser. Um Öl abzufangen, das aus dem Schiff ausgelaufen wäre.

Gegen 12 Uhr war die Übung großteils beendet. Jetzt wird analysiert, was gut geklappt hat – und was möglicherweise weniger.