Bochum,. Im Rahmen eines Modellprojekts werden Patienten der LWL-Psychiatrie in Bochum auch daheim betreut. Die ersten Ergebnisse sind laut Klinik positiv.


Der Modellversuch am Bochumer LWL-Klinikum, bei dem Patienten verstärkt auch zu Hause betreut werden, soll möglichst bald auf weitere Krankenkassen ausgeweitet werden. Das kündigten Vertreter der Klinik und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) im Gespräch mit der WAZ an.

Das Dilemma ist bekannt. Immer mehr Menschen leiden an psychischen Erkrankungen. Die Fachkliniken sind ebenso voll wie die Praxen niedergelassener Therapeuten mit Wartezeiten bis zu drei Monaten. „Stationsungebundene Leistungen“ sollen einen Ausweg bahnen. Heißt: Die Behandlung erfolgt nicht mehr nur stationär und ambulant in der Klinik, sondern durch die Klinikärzte auch daheim, direkt bei den Patienten.

Zwei Kassen sind Vorreiter

Bislang wurden diese Hausbesuche nicht von den Kassen bezahlt. Die Techniker Krankenkasse (TK) und die Barmer GEK betreten Neuland. Im Rahmen des Modellversuchs mit der LWL-Klinik übernehmen sie – bundesweit erstmals – die Kosten für das so genannte Home Treatment. Barmer-Landesgeschäftsführer Heiner Beckmann erkennt darin „eine Win-Win-Situation“. Jeder dritte Psychiatrie-Patient müsse innerhalb von zwei Jahren erneut stationär behandelt werden: auch mangels ausreichender ambulanter Angebote. Kann der Klinik-Therapeut als vertraute Bezugsperson seine Arbeit in den eigenen vier Wänden des Patienten fortsetzen, könnten der Drehtür-Effekt vermieden und langfristig erhebliche Kosten gespart werden.

Günter van Aalst, Leiter der TK-Landesvertretung NRW, stimmt zu. Das starre Blockdenken in der Psychiatrie müsse gelockert werden. Die „aufsuchende Behandlung“, wie die Hausbesuche offiziell heißen, sei lange vernachlässigt worden. „Das Modellprojekt schließt diese Lücke“, sagt Günter von Aalst. „Die fachärztliche und auch soziale Begleitung in den Alltag des Patienten hinein: Das ist der große Vorteil des Modells“, ergänzt Marion Brand, Pflegedirektorin des LWL-Universitätsklinikums.

Die ersten Zahlen, die der Landschaftsverband vorlegt, geben den Partnern recht. Rund 350 Patienten haben seit dem Start vor zwei Jahren an dem Projekt teilgenommen. „Die Verweildauer dieser Gruppe ist deutlich gesunken“, erklärt der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Georg Juckel. Müssen die Patienten an der Alexandrinenstraße durchschnittlich 24 Tage in der Klinik bleiben, sind es bei den Patienten mit stationsungebundenen Leistungen nur 20 Tage. „Die Tendenz ist weiter fallend“, so Juckel.

Umso ausgeprägter ist der Wunsch der Klinik und des Landschaftsverbandes, weitere Krankenkassen zu gewinnen: auch, um die derzeitige Zwei-Klassen-Gesellschaft zu beenden, bei der nicht allein die Therapie, sondern auch die Mitgliedschaft in einer Kasse darüber entscheidet, ob Hausbesuche möglich sind. Zeit für neue Partner ist noch reichlich vorhanden: Das Projekt ist auf acht Jahre angelegt.