Bochum. Bochums OB Eiskirch im Stadtrat: „Der Vollzug der Abschiebung von Sami A. war keine Sternstunde unserer Gewaltenteilung. Ganz im Gegenteil.“
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch weist Kritik an der Bochumer Ausländerbehörde im Fall des nach Tunesien abgeschobenen Gefährders Sami A. zurück. Die Behörde habe dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den Termin für die Abschiebung auf explizite Anweisung des NRW-Flüchtlingsministeriums verschweigen müssen, sagte Eiskirch am Montag in einer Sitzung des Bochumer Stadtrats. Sie könne nicht beurteilen, wie gefährlich der als Leibwächter Osama Bin Ladens bekannt gewordene Tunesier sei. Gleichzeitig sagt Eiskirch aber auch: „Der Vollzug der Abschiebung von Sami A. war keine Sternstunde unserer Gewaltenteilung. Ganz im Gegenteil.“
Anlass der Sitzung waren Fragen der beiden rechten Parteien AfD und NPD zum Vorgang der Abschiebung. Doch die Stadt nutzte die Gelegenheit, um in dieser Sitzung auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Hintergründe ausführlich einzugehen.
Stadt handelte auf Anweisung aus Düsseldorf
Dabei stellten sowohl der Oberbürgermeister als auch die beiden Bochumer Dezernenten Eva-Maria Hubbert und Sebastian Kopietz klar, dass die Abschiebung aufgrund einer Anweisung aus dem NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration erfolgt sei. „Unseres Erachtens können und sollten wir uns einer solchen Anweisung, wenn sie auf Sicherheitsfragen beruht, nicht widersetzen, insbesondere, da wir über eigene Sicherheitserkenntnisse nicht verfügen und eine Gefährdungseinschätzung für uns nicht möglich ist“, erläuterte Eva-Maria Hubbert die Situation der Stadt Bochum.
Die Vertreter der Stadt machten auch deutlich, dass keinerlei Zwangsgeld gezahlt und auch keinerlei Verfahren gegen die Stadt mehr anhängig seien. Vielmehr habe Bochum nun damit begonnen, die vom Oberverwaltungsgericht Münster geforderte Rückführung von Sami A. vorzubereiten.
Vorbereitung für eine Rückführung laufen
Dabei gehe es konkret etwa um die Ausstellung der entsprechenden Reisedokumente. Hier gibt es Kontakte zwischen der Bochumer Ausländerbehörde und der Deutschen Botschaft in Tunesien.
Im weiteren Verlauf der Ratssitzung fragte Wolf-Dieter Liese (AfD), warum die Stadt die Öffentlichkeit nicht früher über die Hintergründe der Abschiebung informiert habe. Eiskirch dazu: „Die Informationen sind früh genug gekommen.“
Christian Haardt (CDU) hob auf die Problematik des „sicheren Herkunftsstaates“. Ob er schneller hätte abgeschoben werden können, wenn das so gewesen sei. Außerdem wollte Felix Hallt von der FDP wissen, welche Konsequenzen das Verfahren für künftige Abschiebungen habe.
Die Ratssitzung fand unter außergewöhnlich strengen Sicherheitsmaßnahmen statt. Sowohl vor als auch im Rathaus hatten sich Polizeibeamte positioniert, um auf eventuelle Störungen reagieren zu können. Bis auf den Haupteingang waren alle Eingänge verschlossen. Stadtsprecher Thomas Sprenger: „Wir haben keine konkrete Hinweise auf Störungen. Die Sicherheitsmaßnahmen sind nur vorbeugend.“
>>> Streit um Sami A. besorgt Anwälte
„Der Fall Sami A. und seine Folgen beunruhigen auch die Anwältinnen und Anwälte“, erklärt der Landesverband NRW im Deutschen Anwaltverein. Vorsitzender ist der Bochumer Rechtsanwalt Jürgen Widder. Der Verband weist auf die Bedeutung der Justiz als dritte Gewalt in der Demokratie hin. „Sollen etwa die Urteile der Gerichte nun zukünftig nicht mehr durch unabhängige Richter, sondern durch Meinungsumfragen bestimmt werden?“, meint der Verband.
„Jede Frau und jeder Mann hat in Rechtssachen einen Anspruch auf anwaltlichen Beistand. Justitia trägt eine Augenbinde, um unabhängig von Vorurteilen das Recht finden zu können. Die Justiz soll losgelöst von Sympathie und Antipathie entscheiden.“ Der Mensch Sami A. sei jemand, der vor Gericht klage, „ob einem das genehm ist oder nicht“. Er habe Anspruch auf ein faires Verfahren. „Dieses Recht steht ihm zu, losgelöst davon, ob man ihn aus politischen Motiven am liebsten schnellstmöglich loswerden möchte.“ (B.Ki.)