Linden. Bistum sucht in den Gemeinden Wege aus der Krise und Konzepte für die Zukunft mit den Verbänden
Zu Anfang eines jeden Jahres treffen sich Kolping, kfd und KAB in der Liebfrauengemeinde, um über ein kirchliches oder gesellschaftspolitisches Thema zu diskutieren. Diesmal ging es um die augenblickliche Situation in der katholischen Kirche, speziell im Bistum Essen. Bischof Franz-Josef Overbeck hatte zum umfassenden Dialog unter dem Leitwort „Zukunft auf katholisch“ aufgerufen. Den Lindener Vereinen gelang es, den Geschäftsführer des Dialogprozesses, Dr. Thilo Esser, als Gastredner zu gewinnen.
„1958“, so Dr. Thilo Esser, „hatten wir bei der Gründung des Bistums 1,5 Millionen Katholikinnen und Katholiken. Heute sind es im selben Raum noch 860 000. Und die Tendenz ist stark fallend, und zwar doppelt so schnell wie der allgemeine Bevölkerungsrückgang. Grob gesagt: Wir verlieren jährlich etwa so viele Menschen wie in einer mittleren Pfarrei wohnen.“ Und weiter: „Das Bistum Essen liegt mit 8 Prozent durchschnittlichem Sonntagsmessbesuch deutschlandweit zusammen mit dem Bistum Hildesheim an letzter Stelle.“ Esser erinnerte daran, dass auch die neue Pfarrstruktur bei den engagierten Katholiken noch in prägender Erinnerung sei. Aber angesichts der „harten Fakten“ seien grundlegende Veränderungen unausweichlich, obwohl es Unverständnis und auch Verletzungen gegeben habe. Sie machten Angst, weil man nicht wisse, was sie brächten. Man halte sich an der Vergangenheit fest, weil man die Zukunft nicht kenne. Sein Fazit: „Und trotzdem halten wir die Zukunft nicht auf, die anders sein wird.“
Esser stellte auch die Frage in den Raum, warum die katholische Kirche, ihre Gottesdienstformen, ihre Verbände und ihre gottesdienstlichen Feiern auf immer weniger Echo stießen. „Warum ist Jesus kein Thema, das in die Kirche hineinführt? Warum ist es vielen völlig egal, ob sie die Sakramente empfangen oder das Wort Gotteshören? Glaubensweitergabe erfolge in der Familie, sie werde sozusagen vererbt, so bilde die Gemeinde ein katholisches Lebensmilieu ab, in dem sie ihr christliches Leben gemeinschaftlich gestalte. Die Gemeinde sei heute kein Lebensmilieu mehr, sondern ein Sonderraum für einige, eine Minderheit in allen Altersgruppen und Geschlechtern, die langsam deutlich abschmelze. Die Mehrzahl der Katholiken finde sich dort nicht wieder.
Die Bischöfe wollten, dass jetzt mit breiter Beteiligung Wege gesucht würden, die Handlungsfelder benennen, um die Pastoral der Kirchezukunftsfähig zu gestalten. Das erste Gespräch habe in Mannheim stattgefunden, auf Augenhöhe zwischen Bischöfen, engagierten Laien, Priestern, Jungen und Alten. Dieser Dialog werde jetzt auf Bistumsebene fortgesetzt. 300 aus dem Bereich der Wissenschaft, der evangelischen Kirche, der Schulen, Studenten und der Vereine und Gemeinderäte trafen zum ersten Dialog. Es sei nicht nur geredet, sondern auch nach Ergebnissen gesucht worden. Die Gespräche werden während des ganzen Jahres 2012 bis in das Jahr 2013 hinein auch auf Gemeindeebene geführt. Die Frage sei: „Wie können wir künftig unter völlig veränderten Bedingungen eine lebendige Kirche sein?“
Kolping, kfd und KAB seien besonders in der Kirche aktiv, als Sozialverbände, die Kirche und Gesellschaft mit gestalteten. Sie sollen, so Thilo Esser, beim anstehenden Dialog mitmachen und auch bei den Bischofsforen dabei sein. „Sie müssen sagen, wo die Baustellen der Kirche liegen und wenn wir sie entdeckt haben, müssen wir auf ihnen arbeiten.“