Bochum. Die Corona-Krise nimmt auch den Rechtsanwälten viel Umsatz weg. Der Vorsitzende des Anwaltvereins Bochum spricht von bis zu 80 Prozent.

Die Corona-Krise trifft auch viele der rund 800 Bochumer Rechtsanwälte hart. Mandanten bleiben weg, Aufträge werden weniger, Gerichtsprozesse fallen aus. Anwalt Jürgen Widder spricht gegenüber der WAZ von einem drastischen Rückgang des Geschäftsbetriebes – bis zu 80 Prozent.

„Das hat deutlich nachgelassen. Die Leute kommen einfach nicht.“ Nur noch wenige suchen in der aktuellen Pandemie einen Anwalt auf und sagen, wir brauchen Hilfe oder haben eine Forderung.

Beispiel Verkehrsrecht: Weil viel weniger Autoverkehr auf den Straßen herrscht, werden auch viel weniger Unfälle verursacht. Folglich bekommen auch weniger Anwälte etwas zu tun.

Anwälte in Bochum können keine Abschlussrechnungen erstellen

Beispiel Gerichtsprozesse: Im Justizzentrum herrscht seit Wochen eine Leere wie am Nachmittag vor Heiligabend: Nur unaufschiebbare Verhandlungen finden statt. Für die Anwälte heißt dies: Keine Prozesse, keine Anwaltsvergütungen. Fast alle Prozesse wurden auf Sommer und Herbst verschoben, deshalb können Anwälte auch keine Abschlussrechnungen an ihre Mandanten schicken. Zwar arbeiten einige auch mit Vorschüssen und Zwischenrechnungen, aber das deckt nur einen Bruchteil ab. „Ich habe hier halbfertige Fälle“, so Widder. Erst ab Mai will das Gericht die Termine nach und nach langsam wieder hochfahren.

Beispiel Notariat: Weil in der Corona-Krise auch kaum Haus- und Wohnungsbesichtigungen stattfinden, werden auch kaum Kaufverträge notariell besiegelt. Wer kauft jetzt Immobilien angesichts der für viele finanziell unsicheren Zeiten?

Anwaltberatung künftig hinter einer Plexiglasscheibe

Beispiel Prozesskostenhilfe und Gebühren für Pflichtverteidiger: Weil das Gericht im Notbetrieb arbeitet, verzögern sich auch die Abrechnungen für die Anwälte.

Widder glaubt, dass viele Mandanten aus einem ähnlichen Grund nicht in eine Kanzlei kommen wie Patienten ins Krankenhaus - aus Sorge um eine Infektion. Deshalb wird er ab Montag auch weitere Hygienemaßnahmen in seinem Büro einführen: die anwaltliche Beratung erfolgt künftig durch eine Plexiglasscheibe hindurch. Das sei allerdings „gewöhnungsbedürftig“, so Widder. Desinfektionsmittel und Ähnliches sind natürlich auch vorhanden. Außerdem: „Wir überlegen, ob wir einen Mundschutz anlegen.“

Anwälte beantragen Soforthilfe beim Staat

Einige Kanzleibetriebe haben bereits Soforthilfe beim Staat beantragt, sagt Widder. Welche Langzeitwirkungen dies aber hat, weiß es natürlich auch nicht. Wenn kein „fundierter Unterbau“ in einer Kanzlei vorhanden sei, könne er sich vorstellen, dass dann auch ein Kollege aufgeben müsse.

Auf Facebook wurde wegen der Corona-Krise von Anwälten die Gruppe mit dem originellen Wortspiel-Namen „Jura not alone“ eingerichtet.