Bochum.. Facebook und Politik - „das ist Fluch und Segen zugleich“, sagt der Bochumer SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel. Der hat nach einer Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen einen „Bild am Sonntag“-Journalisten einen wahren „Shitstorm“ erlebt. Seine Meinung will der Politiker dennoch weiter sagen.

Ein bisschen peinlich ist es ihm wohl immer noch: Eine Version der Israel-Flagge hatte ein Unbekannter auf dem Facebook-Profil des SPD-Landtagsabgeordneten Serdar Yüksel gepostet, mit einem Hakenkreuz anstelle des Davidssterns in der Mitte. Zwei Nächte lang verunzierte es die Seite. Gelöscht hat es Yüksel umgehend, als ihn die Redaktion darauf hinwies. Zu spät, eine Strafanzeige gegen ihn soll es geben, der Blog „Ruhrbarone“ hat den Post dokumentiert und darüber geschrieben. „Ich habe es schlichtweg übersehen“, sagt Yüksel, „sonst wäre das nicht stehen geblieben.“ Den Nutzer, der die verunglimpfende Flagge postete, hat der SPD-Politiker inzwischen gesperrt. Seit Ende letzten Monats, seit seiner Strafanzeige wegen eines in seinen Augen volksverhetzenden Kommentars des stellvertretenden Bild am Sonntag-Chefredakteurs lernt Yüksel, was der Auftritt eines Politikers in Social Media-Plattformen wie Facebook auch sein kann: „Das ist Fluch und Segen zugleich.“

Die Israel-Flagge mit dem Hakenkreuz ist nur ein weiterer negativer Höhepunkt, den Yüksel mit der Seite erlebt. Die Reaktionen auf seine Strafanzeige auf seiner Facebook-Seite „sprengen alles, was ich mir habe vorstellen können“, sagt der 41-Jährige und zählt im Gespräch auf. Allein in den letzten sieben Tagen habe er rund 1700 Kommentare gelöscht. Kurz nach seinem Post der Strafanzeige bei Facebook Ende Juli wurde die Seite bei einem rechtsextremistischen Blog verlinkt: „30 Minuten danach ging der ,Shitstorm’ los.“ Binnen 17 Stunden prasselten 2200 Kommentare auf Yüksels Profil ein. Hatten er und zwei Freunde, die ihm bei der Bearbeitung halfen, einen Nutzer gesperrt, meldete sich der Mensch dahinter unter anderem Namen erneut an. Mindestens sechs Personen sollen sich dabei abgewechselt haben, schätzt Yüksel und spricht von „Irren“. Auch Drohungen bekommt der SPD-Politiker, und „übelste Beleidigungen“. Die Nutzer, die das posten, haben dann Namen wie „Auftragskiller“. „Dieses Hasserfüllte“, sagt Yüksel, „das war für mich nicht nachvollziehbar.“

„Politische Themen transportieren und die Pluralität der Meinungen zulassen“

Mit der Facebook-Seite angefangen hat Yüksel vor vier Jahren, als er in den Landtag eingezogen ist. Es sei wichtig, im Bereich Social Media präsent zu sein, haben die erfahreneren Kollegen geraten. Yüksels hehres Ziel: „politische Themen transportieren und die Pluralität der Meinungen zulassen“. Kanäle wie Facebook böten dafür „eine einmalige Chance“. In den ersten Wochen drücken 30, 40 Nutzer den „Gefällt mir-Button“ bei seinen Posts, er bekommt fünf, sechs Kommentare. Mit Auswüchsen wie jetzt ist da noch nicht zu rechnen. „Hetze und Propaganda“, bilanziert Yüksel, wenn er an die letzten Tage zurückdenkt. Er hätte hunderte Strafanzeigen stellen können, sagt der 41-Jährige. Nur wäre die Facebook-Tätigkeit dann zu Lasten seiner Abgeordneten-Tätigkeit gegangen. Was derzeit nicht der Fall sei, entgegnet Yüksel möglichen Vorwürfen: „Wir haben derzeit sitzungsfreie Zeit, ich mache das in meiner Freizeit. Es ist eine private und von mir allein betreute Seite.“

Yüksel hätte jetzt drei Möglichkeiten. Etwa die Seite einfach zu löschen - „ich habe darüber nachgedacht, aber ich will das Feld nicht den Verrückten dieser Welt überlassen.“ Oder bei den Posts ins Banale abzugleiten und die schwierigen Themen zu meiden, wie die erfahreneren Kollegen jetzt raten - „ich werde jetzt nicht anfangen, mein Frühstücksbrötchen zu fotografieren und hochzuladen.“ Oder einfach weiterzumachen wie bislang - was sonst? „Ich bin Politiker und Politiker müssen eine Meinung und eine Haltung haben und die auch vertreten, wenn es mal stürmisch wird.“ Yüksel eilt der Ruf voraus, nicht pflegeleicht zu sein und gern kontrovers Stellung zu (geo-)politischen Themen zu nehmen. Es dürfte nicht ausgeschlossen sein, dass es nicht ewig dauert, bis der nächste Sturm aufzieht.