Bochum. Die 19-jährige Mariama B. aus Guinea darf vorerst in Deutschland bleiben. Das Bundesamt für Migration erteilte der jungen Frau, die sich am 25. April in der Abschiebe-Haft mit kochendem Wasser schwer verbrühte, jetzt offiziell den Flüchtlingsstatus. Das sichert ihr wenigstens die nächsten drei Jahre in Bochum.
So richtig fassen kann sie es noch gar nicht. Mariama B., die zierliche 19-jährige Frau aus Guinea hält den Bescheid in den Händen. Er kommt direkt von einer anonymen Behörde, dem Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Doch dieses Papier bringt ihr die Sicherheit zurück, nimmt ihr viel von der Angst, die sie beinahe dazu getrieben hätte, ihr Leben wegzuwerfen. Mariama B. erhält die „Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft“, so der steife Terminus. Das ist so etwas wie der Flüchtlingsstatus, ohne je einen Asylantrag gestellt zu haben.
Mariama kann noch gar begreifen, was da alles passiert ist, seitdem sie vor gut drei Wochen wie eine Verbrecherin in Handschellen abgeführt wurde direkt aus dem Bochumer Rathaus. Dort war sie vorstellig geworden, um ihre „Duldung“ zu verlängern. Die Angst, die sie später dazu getrieben hat, kochend heißes Wasser in der Abschiebehaft in Büren über ihren Oberkörper zu schütten, sie lässt sich nicht einfach wegwischen, auch nicht mit einem solchen Bescheid, der am Dienstag bei ihrem Rechtsanwalt eingegangen ist.
Zu Einzelfällen will sich das Bundesamt nicht äußern
Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestätigt eine Sprecherin, den Fall zu kennen; es sei aber üblich, sich zu Einzelfällen nicht zu äußern. Offenbar kann die Behörde, mit Hinweis auf Paragrafen 60, Absatz 1, des Aufenthaltsgesetzes, eine Abschiebung nicht nur stoppen, sondern sie auch verbieten, wie es dort heißt.
Michaela Schröder ist Sozialarbeiterin an Mariamas Schule. Gemeinsam mit Klassenlehrerin Beatrix Schäfer und Mitschülern hatte sie eine „Welle der Empörung“ in Bewegung gesetzt, wie die WAZ am 27. April titelte. Der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel bedankte sich zudem ausdrücklich bei der WAZ für ihre Berichterstattung. Sie habe wesentlich zur aktuellen Entscheidung beigetragen. Yüksel hatte das Thema in den Petitionsausschuss des Landes gebracht, auch andere Bundestagsabgeordnete und viele Menschen mehr hatten sich engagiert.
Michaela Schröder erzählt, dass Mariama noch ganz verwirrt sei, gar nicht glauben könne, dass sie sich nun bald ausgestattet mit einem blauen Pass, den anerkannte Flüchtlinge bekommen, in Deutschland frei bewegen, leben und studieren oder arbeiten kann, wenn sie es möchte. „Mariama muss jetzt zur Ruhe kommen. Sie ist oft wütend und fragt immer wieder: ‘Warum sind die Menschen so?’.“ Sie meint damit, dass so viele versprochen hätten ihr zu helfen, es jedoch nicht wirklich taten.
Verstümmelung, Missbrauch und Gewalt in der Heimat erlebt
Ihr Trauma: Die Verstümmelung, der Missbrauch, die Gewalt in ihrer Heimat Guinea, schließlich die Erniedrigung, im vermeintlich sicheren Spanien zur Prostitution gezwungen zu werden, all das bleibt. Sie möchte zunächst in Bochum leben, die Stadt, die ihr zwar die Handschellen angelegt, aber auch letztlich die Würde zurückgegeben hat. Denn ihre Mitschüler und Mitschüler am Ort waren es, die Unterschriften gesammelt und sich gegen die Entscheidung gestemmt haben, die junge Frau zurück zu schicken. Nach Madrid, der Stadt, die ihr zur Hölle geworden war.
Hanif Hidarnejad betreut bei der Medizinischen Flüchtlingshilfe in Bochum seit vielen Jahren Menschen mit ähnlichen Schicksalen. Er steht an deren Seite, auch wenn das Medieninteresse mal nicht so breit daher kommt wie im Fall Mariama B. „Es sind bundesweit gerade einmal nur rund ein Prozent aller Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern, die den Status, den Mariama jetzt hat, bekommen. Er ist die größte Sicherheit, die man als Flüchtling in Deutschland erhalten kann.“
„Niederlassungserlaubnis“
Mariama, die mittlerweile das Krankenhaus verlassen konnte, lebt bei einer Familie in Bochum und möchte zunächst dort bleiben. Das Vertrauen ist es, was sie nun langsam, Tag für Tag mehr, aufbauen muss. Dafür hat sie viel Zeit. Für drei Jahre gilt ihr Aufenthaltsstatus, dann wird eine Prüfung fällig. Wenn sich die Situation in ihrem Heimatland nicht geändert hat, bekommt sie dann sogar eine sogenannte „Niederlassungserlaubnis“, die ihr unbefristet ein Leben in Deutschland ermöglicht.
Was sie möchte? Sie weiß es noch gar nicht. Irgendetwas mit Pflege möchte sie lernen, vielleicht mit alten Menschen, vertraute sie Andrea Schröder an. Oder zurück zur Schule? „Sie kann jederzeit zurückkommen, darüber würden wir uns sehr freuen“, sagt der stellvertretende Schulleiter Werner Schiller und meint dies sehr ernst.