Bochum..
Wie die Jungfrau zum Kind, kam sie an ihr erstes Eichhörnchen – gewissermaßen jedenfalls. Das ist nun über fünf Jahre her: Am 6. Juni 2006 überließ ihr eine Freundin das erste „Baby“, wie sie das kleine Tier damals nannte.
Regina Viotto als zweifache Mutter und mittlerweile auch Großmutter war sich der Verantwortung bewusst. „Aber als ich das kleine Bündel in meinen Händen hielt, war ich sofort vom Eichhörnchenvirus infiziert“, sagt die 53-Jährige und lacht. Wochenlang päppelte sie das Tier auf.
„Rotz und Wasser habe ich geheult, als ich es wieder in die freie Natur aussetzte“, gesteht Regina Viotto. Doch da gehören Eichhörnchen nun einmal hin – in die Wildnis. Derzeit tummeln sich in ihrem riesigen Garten sechs pelzige Wesen in zwei großen Gehegen. Die hat ihr Mann gebaut, darauf ist sie stolz. „Ohne ihn könnte ich den ganzen Aufwand gar nicht betreiben.“
Eichhörnchen brauchen Körpernähe
Denn das Großziehen der Tiere ist echte Schwerstarbeit. Der Tag der zierlichen wie bodenständigen Frau beginnt um sechs Uhr morgens. Da schnibbelt Regina Viotto Obst und Gemüse für die „älteren Eichhörnchen, für jene, die sechs bis zwölf Wochen alt sind“. Die ganz Kleinen füttert sie per Mini-Spritze samt Nuckelaufsatz. „Da bleibt mein Frühstück halt auf der Strecke.“ Anschließend fährt die Bochumerin zur Arbeit, sie und ihr Mann Heinz-Josef betreiben eine Firma für Terrarien-Bau.
Die Baby-Eichhörnchen schleppt Regina Viotto in einem Wickeltuch, fest am Körper gebunden, mit sich mit. „Die Babys brauchen halt noch die Körpernähe.“ Alle zwei Stunden müssen die Kleinen in den ersten Wochen gefüttert werden, auch nachts. Für Schlaf bleibt wenig Zeit. Den braucht sie auch nicht.
Der Garten erinnert an einen Zoo
„Wenn es nach mir ginge, hätte ich noch mehr Tiere.“ Schon jetzt erinnert der Garten an einen kleinen Zoo: Hund Babsi, der Kampfschmuser, döst auf der Wiese, im großzügig angelegten Teich tummeln sich Kois, zehn Hühner sorgen allmorgendlich für frische Eier.
Die Eichhörnchen aber liegen ihr besonders am Herzen, handelt es sich doch dabei meist um Tiere, die ihre Mutter verloren haben. Eng arbeitet Regina Viotto seit Jahren mit dem Verein Tiere in Not zusammen, ohne selbst dabei Vereinsmensch zu sein.
"Der Kontakt zu den Tieren darf nie zu eng werden.“
Wie sie gelernt habe, die Tiere aufzuziehen? „Ich habe viel gelesen, mir alles selbst beigebracht“. Und dabei viel über die Eichhörnchen gelernt.
Eine Sache jedoch muss sie sich bis heute immer wieder ins Gedächtnis rufen. „Der Kontakt zu den Tieren darf nie zu eng werden.“ Immer wieder kann es passieren, dass ein Eichhörnchen stirbt. „Meine Familie sagte dann anfangs immer zu mir, ich sei danach zu nichts mehr zu gebrauchen.“
Jeder Abschied schmerzt
Also heißt es immer wieder: Weitermachen – für das nächste Tier, das dringend ihre Hilfe benötigt. Die meisten Eichhörnchen überleben, kommen nach meist zwölfwöchiger Pflege und Aufzucht zurück in die Freiheit. Dann geht die Klappe des grünen Geheges auf, und die Tiere bahnen sich ihren Weg in die Freiheit. „Da gehört schon Disziplin zu“, sagt Regina Viotto.
Rudi und Lotte
Der Abschied schmerzt noch heute, auch nach so vielen Eichhörnchen. Dennoch: „Für mich ist es unglaublich schön, die Tiere rauszulassen.“ Dann geht sie hoch, auf ihre Terrasse. Von dort aus kann sie den Birnenbaum des Nachbarn sehen. Hier verweilen die Tiere meist einige Tage, bevor sie für immer im nächsten Wald verschwinden.