Nicht erst seit dem Sparkassen-Giro ist Bochum eine Hochburg des Radsports. Schon 1889 war die erste Rennbahn eröffnet worden. Eine neues Buch dokumentiert eine wechselvolle Geschichte, die schon so gut wie vergessen war.





BLICKPUNKT: DIE GESCHICHTE DER BOCHUMER RADRENNBAHNEN Wenn man sich auf Spurensuche nach der alten Bochumer Radrennbahn begibt, dann findet man heute, über 30 Jahre nach ihrer Niederlegung, nur noch wenige Hinweise. Der Bereich an der Hattinger Straße gegenüber dem Lokal "Deutsches Eck", dort, wo die beiden VBW-Hochhäuser stehen, das ist das Gelände der ehemaligen Bahn. Die Bruchsteinmauer neben dem Fußweg an der östlichen Seite der Hattinger Straße war Teil der Anlage. Ansonsten ist auf der Friedrikastraße, gleich neben der Straßeneinmündung, nur noch eine Kopfstein gepflasterte Auffahrt erhalten. Dahinter war der Haupteingang; über diese Auffahrt wurden die Räder und Motorräder aufs Gelände geschafft. Dahinter erstreckte sich der flache Eingangstrakt mit seinen charakteristischen Satteldächern und den runden Fensterluken.


Dass es einst diese Radrennbahn auf der alten Ortsgrenze Bochum/Weitmar gegeben hat, ist in Bochum (noch) allgemein bekannt. Aber nur die Wenigsten wissen, dass jene Sportanlage zwischen Friederika- und Kulmer Straße nicht die einzige ihrer Art war. Tatsächlich gab es lange vorher schon eine Rennbahn an der Freudenbergstraße in Hamme, nördlich der B 1. Sie bestand zwischen 1889 und 1904. Die zweite Bahn, die nahe dem Wiesental errichtet wurde, lag in besagtem Dreieck zwischen Hattinger, Friederika- und Kulmer Straße. Sie wurde 1924 eröffnet, war aber schon 1929 erneuerungsbedürftig. Sie macht deshalb einem Neubau an derselben Stelle Platz. Diese dritte Bahn mit ihren 46 °-Steilkurven existierte bis 1963. An sie können sich die älteren Bochumer/innen noch gut erinnern.


In einem jetzt erschienenen Buch hat der langjährige Leiter der hiesigen VHS, Dr. Ernst-Albrecht Plieg, die "Geschichte des Bochumer Radsports zwischen 1889 und 1963" erstmals umfassend dokumentiert (Bericht unten). Dem bemerkenswerten Werk entnimmt man, dass lange vor dem Kriege, und noch bis in die 50er Jahre hinein, in Bochum hochkarätige Rad- und Steherrennen zu erleben waren, die die Elite des Radsports jener Jahre versammelten. Walter Rütte, Gustav Kilian, Erich Metze, Werner Ilse und Heinz Hasselberg sind Namen, die den Radsport-Fans auch heute noch 'was sagen. Und natürlich Walter Lohmann, Bochums berühmtester Sportler. Der Ausnahmefahrer, der Weltmeister und zehnfacher Deutscher Meister war, fuhr noch mit 45 Jahren zwei Weltrekorde ein, die bis heute nicht überboten wurden.


Der Bochumer Junge Lohmann wurde in seiner Heimatstadt natürlich besonders verehrt. So heißt es über ein Rennen im Juli 1956: "Viele der über 6000 Zuschauer waren gekommen, um Walter Lohmann erstmals nach seinen Wuppertaler Weltrekordfahrten auf der Heimatbahn kämpfen und siegen zu sehen. Alle Rechenexempel waren aber fehl am Platze! Der Bochumer Meisterfahrer war zum Leidwesen der Tausende ausgerechnet im Rennen vor der eigenen Haustür völlig außer Form!"


Bis Ende der 50er Jahre hatte das Beton-Oval eine gute Zeit, doch läutete das Totenglöcklein bereits. Anfang der 60er Jahre war die Anlage baufällig, ihr Standort am Bergmannsheil galt auf einmal wegen der lauten Steherrennen als "ungünstig". Überdies war "wie allgemein bekannt ist", der Radsport überholt. Mit nur zwei bis drei Radrennen pro Jahr war die Anlage 1963 und 1964 nicht ausgelastet.


So schrieb man die Bahn, die im Besitz der Stadt war, ab; auch als Freizeitstätte mit Minigolfplatz und Rollschuhparcours hatte sie keine Zukunft mehr. "Von der einstigen Radsporthochburg stand in den letzten Jahren nur noch eine Ruine. In dieser Woche verschwindet auch dieser Rest. Dann gibt es die Rennbahn, die in ihren Glanzzeiten 12 000 Menschen gefüllt haben, nicht mehr. Das Grundstück wird Bauland", notierte die WAZ am 1. Februar 1977.


Die VBW errichtete dort schließlich zwei sieben- und 13-geschossige Hochhäuser, die man heute noch bewundern kann, wenn man auf den kleinen Wegen zwischen den Wohntürmen spazieren geht.


Doch nur, wer um die Geschichte der alten Radrennbahn weiß, hört dabei noch das Knattern der Steher, das Sausen der Räder auf der Betonbahn und die jubelnden Rufe der Zuschauer.