Am Rechener Park steht der bekannteste Tante Emma-Laden Bochums. Die 68-Jährige Elly Altegoer kam per Zufall ins Kiosk-Geschäft - und blieb. "Ich brauch immer was zum Betüddeln", sagt sie





BOCHUMER BÜDCHENSERIE (TEIL 3)"Am Mittwochnachmittag bleibt das Geschäft geschlossen. Liebe Grüße. Elly", hängt an der Tür. Draußen liegen ein paar Adventskränze auf dem Stehtisch, es ist kalt geworden und Elly steht drinnen, an der Wursttheke, in ihrem weißen Kittel und einer engen Jeans, die ihre straffe Figur betont. Die weißen Haare hat sie heute hochgebunden. Elly lacht viel und redet gerne viel. Und wer das nicht vertragen kann, sollte sich nicht hineinwagen in ihr Büdchen, wo sie seit 43 Jahren regiert. "Wenn einer drei Mal kommt, muss ich wissen, wer das ist", sagt sie.


Einer wollte mal gar nicht mehr reagieren, so nagte Elly an ihm. Heute sind sie beste Freunde. Genau so hat sie den kleinen Grönemeyer ausgequetscht, und den "schüchternen Harald", der mit Nachnamen Schmidt heißt, den "Matthias", der als Hartmann das Schauspielhaus tanzen ließ. Aber auch Justina, das Mädchen aus der Nachbarschaft, das sie zum Praktikum bis in die Innenstadt kutschierte. Brötchen und Kaffee, klar, die sind gut bei Elly Altegoer. Aber in Wahrheit kommen sie doch nur wegen ihr, wegen dieser Frau, die 68 ist und nie eigene Kinder bekommen hat, aber dafür einen Kiosk "mit Familienanschluss."


Im Schaufenster stehen mit Bedacht dekorierte Tassen, Eingemachtes in Reih und Glied, Servietten in bunt und uni, gescheckt und gestreift. "Wenn man heute bestehen will, dann muss man den Kunden ihre Wünsche erfüllen, vom Haargummi bis zum Damenstrumpf", sagt Elly, die emsige Geschäftsfrau wider Willen. Denn eigentlich, damals in den Sechzigern, sollte sie nur aushelfen in dem Laden ihres Bruders, weil die Frau ein Kind bekam. Auf das erste folgte gleich ein zweites. Elly blieb. In dem Büdchen, das heute ihr Zuhause ist, genauso wie die Familienhäuser, die sie gemeinsam mit ihren Geschwistern bewohnt. "Wir haben uns nie voneinander abgenabelt", beschreibt Elly das Verhältnis zu ihren Brüdern und Schwestern. Ihre Kunden, die sind ihre Kinder, der "Matthias" wie ein Ziehsohn, und wenn eine ganze Schulklasse in den Laden stürmt von drüben, aus der Engelbert-Schule, dann dirigiert sie virtuos, lässt den einen Schmiere stehen, den anderen kassieren, den nächsten Bömsken verteilen - und ist glücklich. "Ich hätte gerne zehn Kinder gehab. Und ich wie 'ne Glucke mittendrin. Ich brauch' immer was zum Betüddeln."


Gerade ihre alten Kunden lieben das an ihr, und wenn sie die besucht, die ins Altenheim mussten, dann sagen manche "Elly, nimm' mich mit nach Hause". Das geht ans Herz, das tut ihr weh, gibt sie zu. Viele in dem Viertel sind gegangen, ruhig wurde es. Aber nun füllen sich die Häuser rund um den Kiosk am Rechener Park wieder mit Familien, deren Väter und Mütter selbst vor ihr gestanden haben mit dem dringenden Wunsch nach einer Tüte Gemischtem.


Nur eines fehlt der Frau hinterm Tresen: Jemand, der mit ihr stramme Runden um den Kemnader See strampelt. "Bis jetzt hat noch keiner durchgehalten", sagt Elly. Hannelore Kühn, Freundin erster und Stammkundin zweiter Linie, weiß den Grund: "Bis jetzt bist du auch viel zu schnell."