Bochum. Künstler Julian Gerhard stellt auf dem Rathausplatz bemerkenswerte Aktion auf die Beine: In einem Würfel treffen Besucher auf geflüchtete Menschen.
Der Flüchtling: das unbekannte Wesen? Um Vorurteile und Ängste abzubauen, aber auch um Neugierde gegenüber „dem Fremden“ zu wecken, hat der Bochumer Künstler Julian Gerhard (32) am Samstag ein bemerkenswertes Kunstprojekt auf dem Vorplatz des Rathauses installiert.
Unter dem Titel „Lighthouse Square“ stellte er gemeinsam mit Bühnenbildnerin Wibke Strombeck drei eigens angefertigte kleine weiße Häuschen auf den Platz. Die sogenannten „cubes“ (englisch für Würfel) schimmerten im Dunkeln geheimnisvoll und boten genau Platz für zwei Personen: für einen Geflüchteten und einen neugierigen Besucher.
Ungewöhnliche Begegnungen
Jeweils rund zehn Minuten verbrachten beide Auge in Auge in dem Würfel. „Genau diese 1:1-Situation, diese Form von Nähe war mir wichtig“, erzählt Gerhard. Die Geflüchteten hatten kleine Performances vorbereitet, die nicht selten autobiografisch geprägt waren. Und die Besucher, die vor dem Eintritt in die Kiste durchaus über ihren Schatten springen mussten, schauten sich die kleinen Vorführungen an und konnten mit den Künstlern ins Gespräch kommen. „Sicher gab es bei vielen eine Hemmschwelle, das ist normal“, sagt Gerhard. „Auf diese Weise mit einem anderen Menschen konfrontiert zu werden, das ist schon hart. Aber die meisten Besucher haben die Begegnung am Ende als überaus angenehm empfunden.“
Julian Gerhard hat unlängst seinen Master in Szenischer Forschung an der Ruhr-Uni abgeschlossen und war zuletzt im Schauspielhaus mit dem experimentellen „Künstlerroulettes“ zu sehen. Auf die Idee für das „Lighthouse Square“ kam er bei einer Fahrt über die Königsallee. „Da sieht man immer Menschen aus einem Flüchtlingsheim entlang laufen. Und ich dachte mir, wie schön es doch wäre, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.“
Vornehmlich über Facebook kam er dann mit Flüchtlingen in Kontakt, von denen einige bereits künstlerische Erfahrungen in ihrer Heimat gesammelt hatten und die gern dabei sein wollten. „Einer hatte ein Instrument studiert, ein anderer ein Restaurant geleitet.“
Kleines Konzert auf der Qanun
Weil bei der Kunstaktion auf dem Rathausplatz mehr Flüchtlinge mitmachen wollten als Würfel zur Verfügung standen, wurde ein Zeitplan ausgetüftelt. Über 100 kleine Vorstellungen sind bis in den Abend hinein gespielt worden: Feras Alkahteeb erzählte von Grenzsituationen in der Türkei, Tarik Thabit spielte auf der Qanun (einer arabischen Zither), und Fadi Klesli hat mit sportlichem Ehrgeiz den Plan gefasst, Freundschaften im Akkord zu schließen.
Der Erfolg dieses Projekts, das vom Regionalverband Ruhr und dem Verein „Pro Bochum“ unterstützt wurde, war groß, kein Würfel stand leer. Vermutlich im Mai soll die Aktion wiederholt werden.