Bochum. Im Prognos-Zukunftsatlas 2013 wird die Bochum auf Platz 277 geführt. 2004 lag die Stadt noch auf Rang 215. In der Kategorie „Wohlstand“ liegt sie mittlerweile weit hinten. Aber: Sozialwissenschaftler Jörg Bogumil mahnt einen differenzierteren Blick an und wünscht sich eine bessere Außendarstellung.
Die Prognose für den großen Nachbarn im Osten ist niederschmetternd, die Autoren des Zukunftsatlas 2013 bescheinigen Dortmund nach dessen Absturz auf Platz 323 im bundesdeutschen Städtevergleich große Zukunftsrisiken. So düster sind die Aussichten für Bochum zwar nicht. Aber allmählich rutscht die Stadt im Ranking von bundesweit 402 Städten und Landkreisen immer weiter ab. 2004 noch auf Platz 215 geführt, ist sie auf den 277. Rang in unmittelbar Nachbarschaft zu Saarbrücken (276) und den bayrischen Landkreis Regen (278) abgerutscht. „Es geht insgesamt nach unten“, sagt Kathleen Freitag, Projektleiterin bei der Prognos AG in Berlin und eine der Autoren des aktuellen Zukunftsatlas’.
Und angesichts der Entlassungen bei Opel, Outokumpu und Jahnel Kestermann wird die Situation nicht einfacher. „Die hohe Arbeitslosigkeit wirft Bochum weit nach hinten“, so Freitag. Und nicht nur das: Die Bruttowertschöpfung liege unter dem Bundesdurchschnitt, die Einwohnerzahl schrumpft, die Abwanderung von an Ort und Stelle ausgebildeten Akademikern müsste reduziert werden und auch durchaus positive Faktoren wie die Innovationsleistung (Platz 115) oder die Zahl der angemeldeten Patente reichen nicht aus, um den Abwärtstrend zu stoppen.
Verschuldung des öffentlichen Haushalts
Alarmierend ist die Situation im Bereich „Wohlstand“. Unter anderem die hohe Verschuldung des öffentlichen Haushalts, die Kriminalitätsrate oder die Zahl der Bedarfsgemeinschaften spülen die Stadt in dieser Kategorie auf Platz 372 – nach ganz weit hinten also.
„Dein Grubengold hat uns wieder hochgeholt, du Blume im Revier“ singt Herbert Grönemeyer in seiner Hymne „Bochum“. Aber die Gruben sind längst dicht. Und da der einst erfolgreichste Nachfolgewirtschaftszweig, die Autobranche, hier bald nahezu zum Erliegen kommt, müssen andere Bereiche in die Bresche springen.
Die Gesundheitswirtschaft etwa, in der es 24.000 Arbeitsplätze in der Stadt gibt. 50. 000 Studenten sind ebenfalls ein positiver Indikator. Aber: „Jetzt müssen wir erreichen, dass sie auch alle in Bochum wohnen“ sagte Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz beim jüngsten Herbstempfang im Rathaus.
„Das ist tatsächlich ein Problem. Daran müssen wir arbeiten“, sagt Prof. Dr. Jörg Bogumil, Sozialwissenschaftler an der Ruhr-Universität. Und obwohl viele neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, konnten diese die Verluste bei Kohle und Stahl noch nicht kompensieren. Aber: Es sei noch längst nicht ins Bewusstsein gedrungen, dass Bochum mit den meisten Studenten in Nordrhein-Westfalen längst ein Wissenschafts- und Hochschul-Standort geworden sei. „Das ist eine große Stärke.“
„Die Lage ist besser als das Bild von Bochum“
Immerhin gehört Bochum weiter zum breiten Mittelfeld, das Prognos unter „ausgeglichenes Chancen-Risiken-Mix“ führt. Damit bleibt der Stadt das Schicksal vieler Ruhrgebietsstädte erspart, die stark an Boden verloren haben.
Aus Sicht von Jörg Bogumil ist der Prognos-Blick auf die Republik indes etwas zu vereinfacht. „Es gibt nicht nur ein Bochum“, sagt der RUB-Sozialwissenschaftler und verweist auf den beinahe ruhrgebietstypischen Unterschied zwischen Nord und Süd. Ein Beispiel: „In Stahlhausen machen 12 Prozent der Schüler Abitur, in Stiepel sind es 77 Prozent.“
Gemeinsam mit drei Kollegen hat Bogumil 2012 das Buch veröffentlichtet „Viel erreicht – wenig gewonnen: Ein realistischer Blick auf das Ruhrgebiet“. Der Wunsch nach Verwandlung im Revier, so sagen sie, sei nur zum Teil umgesetzt. Historische Bedingungen wie der Bergbau, kleinräumige Strukturen und Kirchturmdenken seien dafür verantwortlich. Und: „Wir haben es nicht geschafft nach außen zu vermitteln, dass das Bild von Bochum deutlich negativer als die Lage ist.“ Zu wenig bewusst sei vielen, dass die Uni mittlerweile größter Arbeitgeber in der Stadt ist, die Gesundheitswirtschaft wachse und die Opel-Flächen neue Chancen bieten. Der gebürtige Hamburger ist jedenfalls von seiner Stadt überzeugt. Jenseits des analytischen Wissenschaftler-Blicks sagt der 1980 zugezogene Wahl-Bochumer: „Für die Stadt spricht, dass sie ein großes Kultur- und Freizeitangebot hat, die Hochschule eine enorme Perspektive bieten und hier viele liebenswerte Menschen leben.