Bochum.. Bochumer Tagesmütter fordern Nachteilsausgleich für die Großtagespflege und höhere Förderungen. Das Jugendamt erkennt keine Benachteiligung.

Zu hohe Fixkosten, zu großer Verwaltungsaufwand, niedrige Bezahlung – die Kommunalgruppe Bochum des Berufsverbands für Kindertagespflege NRW kritisiert die schwierigen Bedingungen für Kindertagespflegepersonen.

Vor allem für Großtagespflegestellen seien die finanziellen Nachteile groß. Denn während Einzelpersonen maximal fünf Kinder zeitgleich betreuen dürfen, können hier zwei Tagesmütter lediglich neun Kinder zusammen betreuen – das bedeutet zehn Prozent weniger Einnahmen.

„Wir fordern einen Nachteilsausgleich gegenüber den einzeln arbeitenden Kindertagespflegepersonen“, sagt Karin Hafermalz von der Großtagespflege Jojo, die auch Mitglied der kürzlich gegründeten Kommunalgruppe ist. Ihre Forderungen hat die Gruppe auch in einem offenen Brief an die Stadt formuliert.

Jugendamt gleicht hohe Lohnkosten nicht aus

Sie kritisiert noch weitere Bochumer Richtlinien. Laut derer muss „bei Ausfall einer Tagespflegeperson in einer Großtagespflegestelle eine geeignete Vertretung vorhanden sein, die bereits im Vorfeld regelmäßig am Gruppenalltag teilnehmen sollte“. Das bedeute laut Hafermalz in der Umsetzung, dass eine Vertretung angestellt werden muss.

Die monatlichen Lohnkosten sowie Überprüfungen der Arbeitssicherheit, der Arbeitsmedizin und der Elektronik führten zu einer hohen Belastung – die nicht ausgeglichen werde durch die Gelder des Jugendamtes.

In der Großtagespflege Jojo in Linden betreuen Karin Hafermalz und Petra Schröder neun Kinder.
In der Großtagespflege Jojo in Linden betreuen Karin Hafermalz und Petra Schröder neun Kinder. © Otto | FUNKE Foto Services

In Bochum zahlen Eltern, deren Kinder unter zwei Jahre alt sind, deutlich höhere Beiträge für die Kindertagespflege als Ü2-Eltern. Der Beitrag ist in den meisten Einkommensstufen rund doppelt so hoch.

Bei den Pflegekräften kommt dieser Beitrag allerdings nicht an, sie bekommen unabhängig vom Alter den gleichen Satz pro Kind. „Ein Kind unter zwei Jahren ist aber deutlich betreuungsintensiver als ein älteres“, betont Hafermalz. Das Tagespflegegeld sei seit 2014 nicht angepasst worden, pro Kind liegt es derzeit bei einer Betreuungszeit zwischen 41 und 45 Stunden bei 924,50 Euro. Allerdings sei die Arbeitszeit damit nicht getan, betont Carina Wessel, die ebenfalls in der Großpflege tätig ist. „Mit der Dokumentation, den Einkäufen und anderen Aufgaben komme ich jede Woche auf 50 bis 60 Stunden.“

Investition in U-3-Plätze

Jörg Klingenberg, stellvertretender Leiter des Jugendamtes, weiß um die hohe Belastung der Tagespflegepersonen, „aber die Vorbereitungszeit gehörte schon immer dazu“. Viele Städte in der Region splitten die Beiträge für Eltern mit Kinder unter und über zwei Jahren. Dass aber das Tagespflegegeld nicht gesplittet ist, liege daran, dass die Stadt für Ein- bis Dreijährige einen gewissen Satz zahle und nicht weitergehend nach Alter differenziert. „Wir investieren ja auch in Betreuungsplätze und dabei sind die U-3-Plätze wesentlich teurer“, erklärt Klingenberg.

Er erkennt generell keine Benachteiligung in der Großtagespflege. „Wir haben es noch nie gehabt, dass jemand sagt, er verdient zu wenig“, sagt Klingenberg. „Außerdem kann jeder genauso sagen, wir machen das alleine und nicht zu zweit.“ Das Jugendamt wolle sich aber mit der Kommunalgruppe austauschen. Zudem sei geplant, die Tagespflegeplätze auch im neuen Online-Portal aufzunehmen. Dort sind bislang nur Kitaplätze zu finden.

Immer mehr Kinder in der Tagespflege

Die Kindertagespflege hat sich in den vergangenen Jahren immer stärker professionalisiert. Von 2012 bis 2015 ist die Zahl der Tagespflegeverhältnisse in Bochum um knapp 60 Prozent gestiegen.
An Kitas fließen hauptsächlich Landesmittel mit Beteiligungen der Kommunen, Tagesmütter werden weitestgehend aus kommunalen Mitteln bezahlt.

>>> Kommentar von Linda Heinrichkeit

Die Kommune unterscheidet bei der finanziellen Förderung von Tagespflegepersonen nicht, wie alt die Kinder sind, die von ihnen betreut werden. Sie unterscheidet nur nach Qualifikation der Tagesmütter. Das mag rechnerisch legitim sein, ist aber als Eltern schwer nachvollziehbar.

Es stellt sich die einfache Frage: Warum muss ich doppelt so viel für mein einjähriges Kind zahlen als jemand anderes für sein zweijähriges, wenn meine Tagesmutter von diesem Mehraufwand nicht profitiert? Trägt sie doch meinen Einjährigen viel öfter in den Armen, legt sich zu ihm, wenn er schlafen soll, hilft ihm auf die Rutsche, weil er nicht so selbstständig ist wie der Ältere.

Andere Städte wie Essen oder Duisburg berechnen eine pauschale Kostenbeteiligung unabhängig vom Alter. Das müsste eigentlich die logische Konsequenz aus einem pauschalisierten Tagespflegegeld sein.