Vom Bochumer Heusnerviertel bleiben nur Erinnerungen
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Bochum. Im Heusnerviertel lebten viele Arbeiter der Zeche Engelsburg und des Bochumer Vereins mit ihren Familien. Später wurden viele Häuser besetzt.
Mittlerweile ist der Name ein wenig in Vergessenheit geraten, aber bei älteren Bochumern ruft das „Heusnerviertel“ noch Erinnerungen wach.
An einen einstmals intakten Ortsteil zwischen Stahlhausen und Weitmar, der in den 1980er Jahre wegen des Baus der Westtangente fast komplett abgerissen wurde. Und an die heftigen Widerstand gegen die polizeiliche Räumung der damals besetzten Häuser an der Heusnerstraße, Bahnstraße, Pestalozzistraße.
Im Viertel gab es alles, was man zu Leben braucht
Entstanden war das Quartier um die Jahrhundertwende bis in die 1930er Jahre, außer Wohnungen und drei Schulen gab es dort Lebensmittelläden, eine Metzgerei, einen Bäcker und einen Milchladen, einen Gemischtwarenladen in der Bahnstraße, einen Schuster und auch eine Schreinerei im Hinterhof. Mehrere Kneipen gab es natürlich auch.
Blick in die Stadtgeschichte
Vieles, was einmal in Bochum war, ist inzwischen vergessen. Aber manches wissen die alten Bochumer noch von früher. Und die jungen sind neugierig, es zu erfahren.Mit „Bochum historisch“ wirft die WAZ einen Blick in die Stadtgeschichte. Unter dem Motto „So sah Bochum einmal aus“ werden verschwundene und noch sichtbare Gebäude besucht.Alle bisherigen Folgen finden Sie in dieser Übersicht.Wegen des großen Anklangs, den die Reihe findet, ist „Bochum historisch“ im Herbst 2016 auch als Buch im Klartext-Verlag erschienen. ISBN: 978-3-8375-1674-6; 12,95 Euro.Übrigens: Jürgen Boebers-Süßmann, der Autor von "Bochum historisch", ist auch auf Facebook.
Die Häuser waren meist in Privatbesitz, zu den Eigentümern gehörte die Familie Heusner; daher kam später der inoffizielle Name des Viertels. Die meisten der Männer arbeiteten auf Zeche Engelsburg oder beim Bochumer Verein.
Eine Schnellstraße durchs Wohngebiet
Die Geschichte des Heusnerviertels ist aufs Engste mit dem Bau des Außenrings, der früher so bezeichneten NS VII verknüpft. Bereits 1928 tauchten erste Überlegungen zum Bau einer Schnellstraße auf, dessen Linienführung nach dem Krieg konkretisiert wurde.
Spätestens seit Anfang der 1950er Jahre geisterte das Gespenst einer durchs Heusnerviertel führenden Straße umher. Anfang der 60er Jahre nahm die Planung Formen an, 1976 war der Bebauungsplan rechtkräftig.
Nach der Schließung der Zeche verkam das Viertel
Schon seit Betriebsende der Zeche Engelsburg 1961 hatte ein gewisser Auflösungsprozess eingesetzt, nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes 1976 kam es zu massiven Abwanderungen. Leergezogene Wohnungen wurden kurzerhand zugemauert, das Umfeld verkam. Jeder, der es damals gesehen hat, kann sich an den düsteren, tristen Anblick des Viertels erinnern.
Im Sommer 1981 wurde mit dem Akafö (Akademisches Förderungswerk) ein Teil der leerstehenden Wohnungen an Studenten vermietet – günstiger Wohnraum, der auch andere anzog. In viele der für nicht mehr bewohnbar erklärten Wohnungen zogen nach und nach andere Zeitgenossen ein: Es war die Zeit des Punk, der Hausbesetzungen, der buntbehaarten Menschen und der alternativen Wohnformen. Das Bochumer Heusnerviertel und Berlin-Kreuzberg kamen sich damals sehr nahe.
Die SPD-geführte Stadt Bochum konnte und wollte das nicht tolerieren. Der Prostest gegen den als willkürlich empfundenen Abriss eines ganzen Viertels griff um sich: Tumulte in Ratssitzungen, Proteste vor Theateraufführungen, Demos in der Innenstadt prägte die frühen 1980er Jahre. Aber Stadt und Polizei blieben hart. Eine erste Abrissaktion Weihnachten 1984 stoppte ein Gericht nur kurz.
Scheibchenweise wurden danach Wohnungen zugemauert, einzelne Häuser abgerissen. Fast zwei Jahre lang zogen sich die zum Teil verbittert geführten Auseinandersetzungen hin. Im November 1986 fielen die letzten Häuser, unter massivem Polizeischutz, unter ohnmächtigem Protest.
Bald wird die Westtangente Teil der zukünftigen A 448. Vom Heusnerviertel ist so gut wie nichts übrig. Aber in der alten Pestalozzi-Schule hält das Thealozzi seit 33 Jahren die Flagge der Kultur hoch.
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