Düsseldorf. Ein Jahr nach Veröffentlichung der „Forum-Studie“ legt die Evangelische Kirche im Rheinland im Vorfeld der Synode Zahlen vor. Der Stand der Dinge.

Eigentlich bereitet sich die Evangelische Kirche im Rheinland gerade auf ihre 79. Synode vor, die ab dem 2. Februar in Bonn tagen wird. Da geht es um Geld, um Neuwahlen, um Zukunftsfähigkeit. Und gleichzeitig wird die Kirche immer wieder von dem Thema Missbrauch eingeholt: 124 Missbrauchsfälle hat die Meldestelle der Evangelischen Kirche seit ihrer Gründung im Jahr 2021 registriert.

Und noch erschreckender: Fast die Hälfte der Fälle, 61, beziehen sich auf Taten, die nach 2021 begangen wurden. Einige, aber bei weitem nicht alle, wurden vor einem Jahr in der „Forum-Studie“ veröffentlicht, die sich dem Thema Missbrauch unter dem Dach der evangelischen Kirche in ganz Deutschland widmete.

In 33 Fällen werden Theologen beschuldigt

Die 124 Meldungen, so der scheidende Vizepräses Christoph Pistorius, beziehen sich zum Teil auf Ereignisse, die Jahrzehnte zurückliegen, aber es gibt auch immer wieder aktuelle Fälle. Und klar ist auch: Meldungen sind nicht gleichbedeutend mit Tätern. Beschuldigt werden in 33 Fällen Theologen, 31 davon sind Gemeindepfarrer. Aber es gibt auch Vorwürfe gegen ehrenamtliche Mitarbeitende wie Jugend- oder Gemeindehelfer oder Chorleiter.

Aufgearbeitet werden die Meldungen unter anderem durch Staatsanwält*innen, die im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit für die Evangelische Kirche im Rheinland sind und klären, ob und welche straf- oder kirchenrechtlichen Vorwürfe im Raum stehen. Im März soll dann auch die Regionale unabhängige Aufarbeitungskommission tätig werden, die die Missbrauchsfälle in der westfälischen und rheinischen Landeskirche sowie der gemeinsamen Diakonie bearbeitet.

Landeskirche zahlt 40 Betroffenen Entschädigung

Mittlerweile, so Pistorius, haben 40 Betroffene Zahlungen von der Rheinischen Landeskirche erhalten, als Entschädigung oder für Therapien. Dafür wurden 725.000 Euro ausgegeben. Die Diakonie hat in 139 Fällen rund 2,2 Millionen Euro gezahlt. Besonders in den Blick genommen werden, nach den dramatischen Vorfällen am Moerser Martinsstift, die evangelischen Internate und Schülerheime. Die Studie ist jetzt angelaufen, mit Ergebnissen wird Ende 2026 gerechnet.

Nicht allen ist die intensive Beschäftigung mit den dunklen Seiten der evangelischen Kirchengeschichte recht, so Pistorius: „Es gibt immer noch viele, die uns mit Unverständnis begegnen. Ja, es ist schmerzhaft, anstrengend, unangenehm. Aber was ist das gegenüber dem Leid der Betroffenen?“

Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, wird am 2. Februar in Bonn die Synode eröffnen.
Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, wird am 2. Februar in Bonn die Synode eröffnen. © dpa | Rolf Vennenbernd

Die Aufwendungen für die Wiedergutmachung werden sicherlich auch den Kämmerer der Evangelischen Kirche im Rheinland noch beschäftigen. Dieser sieht für die Kirche mit ihrem Etat von derzeit rund 718 Millionen Euro pro Jahr die Notwendigkeit zu weiteren Sparbemühungen. Henning Boecker rechnet für 2024 mit leicht ansteigenden Kirchensteuereinnahmen, der Haushalt werde voraussichtlich ausgeglichen sein.

Vor allem aufgrund steigender Personalkosten bei tendenziell gleichbleibenden Steueraufkommen wird Boecker die Haushalte 2025 und 2026 nur mit einem Griff in die Rücklagen in der Balance halten können. Für 2025 rechnet er mit einem Minus von 8, für 2026 von 18 Millionen. Insgesamt, so der Kämmerer, habe man rund 145 Millionen Euro auf der hohen Kante, 35 davon sind für die energetische Sanierung von Kirchengebäuden vorgesehen.

Die Synode in Bonn, so Präses Thorsten Latzel, wolle allerdings auch theologische Impulse setzen. „Wir wollen vom Glauben reden, den Menschen Hoffnung geben.“ Die evangelische Kirche wolle nahe bei den Menschen sein und dabei in den Formen flexibler werden. Erfolge habe man da unter anderem mit Tauffesten oder Popup-Hochzeitsmessen. Fest im Glauben, aber flexibler in den Formen, auch was Gemeindestrukturen angeht, wolle man werden.