Duisburg. Vom ADFC über die Klimaschützer bis zu Sozialpolitikern und Bahngewerkschaftern: Die 16 Landesverkehrsminister spüren den Unmut über den Reformstau.
Die Schar der Demonstranten ist so vielfältig wie die Tagesordnung, die sich die –Überraschung! – 17 (!) Landesverkehrsministerinnen und -minister für ihre Herbstkonferenz gesetzt haben: Von der Fahrradlobby des ADFC über die Klimaschützer von Fridays for Future und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband bis hin zur Eisenbahnergewerkschaft EVG reicht die Zahl der Demo-Teilnehmer vor dem Mercure-Hotel unweit des Duisburger Hauptbahnhofs.
Den immerhin hätte man sich ja mal anschauen können als kleines Zeichen dafür, dass sich hier und da etwas bewegt in Sachen Sanierung der Verkehrswege, wird der einstige Lost Place mit Verkehrsanbindung nunmehr doch zu einem modernen Bahnhof.
Klimaschutz, Seehäfen, Führerscheinprüfung
Indes: Für Exkursionen war angesichts der Tagesordnung kaum Zeit. Vom großen Denken „Mobilität und Klimaschutz“ bis zur „Neustrukturierung der Fahrerlaubnisprüfung“ und die „Seehafenfinanzierung“ reichen die knapp 40 Punkte und Unterpunkte, die bis Donnerstagmittag besprochen werden wollen.
Die Punkte und Unterpunkte der Kundgebung samt Mahnwache bis in die Abendstunden sind beinahe ebenso vielfältig. Hauptkritikpunkt von Campact, Umweltverbänden wie dem BUND Deutschland, Fridays for Future und dem Paritätischen ist vor allem die deutliche Preiserhöhung beim Deutschlandticket, das zum Jahreswechsel rund 20 Prozent mehr kosten wird.
Sozialticket für maximal 29 Euro gefordert
„Wir fordern: Das 49-Euro-Ticket muss dauerhaft erhalten bleiben und darf nicht teurer werden. Und es muss für alle bezahlbar sein: Als Jugend- und Sozialticket soll es maximal 29 Euro kosten“, so die Kampagnen-Organisation Campact, die bereits 450.000 Unterschriften für den Erhalt des Günstig-Tickets gesammelt hat und in Duisburg mit einem Bus vorfuhr, in dem man nur für 58 Euro einsteigen durfte; jener Preis, der ab Januar für das Ticket fällig wird.
Und dies, so die Befürchtung der Klimaschützer, wird den CO₂-Einspareffekt, den das Ticket nun nachweislich erbringt, womöglich deutlich infrage stellen. Grund genug für BUND und Paritätischen, die Forderung nach einem Sozialticket für 29 Euro zu stellen und eine entsprechende Petition an NRW-Verkehrsminister Volker Krischer zu übergeben.
Doch da, so BUND-Sprecher Tim Dreyer, „droht durch eine Gesetzesnovelle des Bundes das Aus“: Den Ländern soll verboten werden, die Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr zur Subventionierung eines Sozialtickets zu verwenden. Finanzierungsmöglichkeiten gebe es genug: Streichung des Dienstwagenprivilegs, Kürzungen bei der Pendlerpauschale, Wegfall der Dieselsubvention, nennt Dreyer als Beispiel.
„Nur wenn alle mitgenommen werden, ist eine Mobilitätswende möglich. Dafür brauchen wir bundesweit verfügbare günstige Tickets, die Verbesserung des Angebots und bessere Planbarkeit, durch eine langfristige preisstabile Finanzierung“, so Kerstin Ciesla (BUND).
Auch Studierende fordern Preislimit
Auch die Studierenden fordern eine Preis-Obergrenze des Deutschlandtickets. Die Studenten-Variante des „Deutschlandtickets“ soll ab dem Wintersemester 34,80 Euro statt bisher 29,40 Euro kosten. Christoph Holtwisch, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Studierendenwerke in NRW, plädiert dafür, das Deutschlandticket an den Lebensverhältnissen der Studierenden zu orientieren und entsprechend preislich zu deckeln.
Den Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC), so dessen Duisburger Sprecher Herbert Fürmann, bringen indes die Kürzungen beim Radwege-Etat des Bundes auf die Palme. Während fünf der sechs Autobahnkreuze in und um Duisburg aufwändig ausgebaut werden und A3 wie A59 zusätzliche Fahrspuren bekommen sollen, gelingt es auch nach 13 Jahren Bau und Planung nicht einmal, einen einzigen Radschnellweg wie den RS1 von Moers bis Dortmund auch nur einigermaßen fertigzustellen, so Fürmann. „In Duisburg gibt es bislang keinen Zentimeter“. Auch Radvorrangrouten nach Düsseldorf und Wesel seien nicht erkennbar.
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Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hingegen fürchtet angesichts des fortdauernden Staatsversagens bei der Bahn, dass künftig in einer Zerschlagung des Konzerns das Heil gesucht wird. Und wehrt sich entsprechend.
„Bahnhöfe und Schienenwege wurden jahrzehntelang heruntergewirtschaftet, weil der Bund nicht die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt hat. Jetzt zu glauben, innerhalb von zehn Monaten deutliche Verbesserungen erzielen zu können, geht völlig an der Realität vorbei“, kritisierte der EVG-Vorsitzende Martin Burkert. Die Gewerkschaft fürchtet, dass die gerade gegründete InfraGo als Nachfolgerin von „DBNetz“ gleich wieder abgeschafft wird. Oder tatsächlich zum Vehikel einer klaren Trennung wird.
Gewerkschaft fordert mehr Verlässlichkeit
„Meine Kolleginnen und Kollegen erwarten mehr Verlässlichkeit. Dass getroffene Entscheidungen innerhalb kürzester Zeit wieder infrage gestellt werden, schürt die Angst um den eigenen Arbeitsplatz, weil es an langfristigen Perspektiven fehlt“, so der EVG-Landesvorsitzende in NRW Neithard von Böhlen.
„Die immer wiederkehrende Diskussion um eine Zerschlagung der DB hilft niemandem; eine Trennung von Netz und Betrieb löst die Probleme nicht, sondern schafft nur neue.“ InfraGo sei auch politisch gewollt und brauche die nötige Zeit, um sich zu bewähren.
Sieben Landesministerinnen, zehn Minister, aber kein Wissing
Ach so: Warum 17 Landesverkehrsminister (sieben Frauen, zehn Männer)? Nun, Rheinland-Pfalz kommt gleich mit zwei Ministerinnen, Mobilität und Verkehr werden dort in zwei Ressorts aufgeteilt.
Dafür fehlte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in Duisburg, obwohl sein Haus in den meisten Punkten der Tagung Berichterstatter ist. Das übernahmen dann zwei seiner Staatssekretäre. Wissing stand zur gleichen Stunde im Bundestag Rede und Antwort.
Am Donnerstagnachmittag will NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) die Ergebnisse des letzten von ihm geleiteten Verkehrsministertreffens verkünden. Ab 2025 übernimmt Bayern für zwei Jahre die Leitung der Konferenz.