Mülheim. Das Collective Ma’louba zeigt im Mülheimer Theater „Up there“, ein Stück über eine verbotene Theateraufführung in einem syrischen Frauengefängnis.
Es ist eine wahre Begebenheit, die der syrische Autor und Regisseur Wael Kadour in seinem neuen Stück „Up there“ erzählt: Anfang der 1990er Jahre führt eine Gruppe politisch Gefangener in einem Frauengefängnis in Syrien das Theaterstück „Die Frau vom Meer“ von Ibsen auf – ein Affront gegen die Gefängnisverwaltung, die das Theaterspielen grundsätzlich nicht erlaubt.
Wael Kadour, der im Exil in Paris lebt, kennt die Geschichte sozusagen aus erster Hand. Durch Zufall lernte er in Frankreich mit Hend Alkahwaji eine der ehemaligen Inhaftierten kennen – und diese erzählte ihm beiläufig von der Aufführung in der Haftanstalt. Der Autor ist beeindruckt, greift das Thema auf: Hend Alkahwaji und ihre Mitstreiterin Wejdan Nassif „liefern“ ihm nach und nach ihre Erinnerungen, sie spielen letztlich auch mit in dem teils dokumentarischen, teils fiktiven Stück – stellen darin sich selbst dar.
„Die Zuschauer werden auf eine Zeitreise geschickt“
Die Koproduktion vom Collevtive Ma’louba und dem Theater an der Ruhr, bei der Mohamad Al Rashi gemeinsam mit Wael Kadour Regie geführt hat, feiert am Samstag, 3. Dezember, um 19.30 Uhr Premiere im Theater am Raffelberg. In arabischer Sprache mit deutschen Übertiteln. „Die Zuschauer werden dann auf eine Zeitreise geschickt. Das Stück führt von 2022 zurück ins Jahr 1991, dem Jahr, in dem sich die Geschichte zugetragen hat“, erläutert Wael Kadour. Eine fiktionale Zwischenebene ist eingeschoben und spielt in 2008. „Dabei geht es um die Frage, was der Autor gemacht hätte, wenn er die beiden Frauen zu diesem Zeitpunkt in Syrien getroffen hätte“, berichtet Mohamad Al Rashi. Rund 30 Jahre syrische Geschichte werden also insgesamt in den Blick genommen.
Eine Nachbildung des Bühnenbildes von 1991 ist Teil der aktuellen Bühnengestaltung. Es ist ein Berg aus Eierkartons, sollte damals den Felsen aus „Die Frau am Meer“ symbolisieren. „Viele Requisiten hatten die Frauen im Gefängnis ja nicht zur Verfügung, sie nutzten, was da war“, erklären die beiden Regisseure. Warum die Inhaftierten einst ausgerechnet dieses Ibsen-Drama auswählten? „Im Gefängnis gab es nur wenige Bücher, dieser Theatertext stand im Regal, erschien ihnen am einfachsten umsetzbar und auch irgendwie passend zu ihrer Situation.“
Proben und Premiere finden in Mülheim statt
„Wir erzählen, wie es den politisch verfolgten Frauen in der Haft und in den Jahren danach in Syrien ergangen ist, fügen aber auch Motive aus Ibsens Werk in unsere Produktion ein. So thematisieren wir beispielsweise das Gefangensein in verschiedenen Zeiten und politischen Systemen oder fragen nach der individuellen Freiheit der Frau“, sagt Wael Kadour.
Wie war es für die Protagonistinnen Hend Alkahwaji und Wejdan Nassif, sich an schlimme Zeiten zu erinnern? „Manchmal hat es uns belastet, aber nicht immer. Es kamen gute Erinnerungen hoch. Ich denke an die Theateraufführung als einen gelungenen Akt des Widerstandes zurück – oder auch an die guten Freundschaften von damals“, sagt Hend Alkahwaji.
Eine weitere Aufführung ist am Sonntag, 4. Dezember, um 18 Uhr im Theater an der Ruhr. Eventuell gibt es weitere Termine im Februar/März. Zwischenzeitlich geht das Stück auf Tournee.