Hagen/Herdecke. Hagen und Herdecke sind sich einig: Eine Zip-Line über den Hengsteysee hinweg wäre eine echte Touristen-Attraktion. Aber es gibt noch Hürden.
Ein Blick durch das Rund des Hagener Stadtentwicklungsausschusses ließ angesichts des Altersschnitts am Donnerstagabend durchaus Zweifel aufkommen, ob sich hier tatsächlich das ideale Expertengremium für ein angedachtes Zip-Line-Projekt zusammengefunden hatte: Allerdings galt es in dieser Runde – anders als im durchweg angetanen Sportausschuss – nicht etwa den Spaßfaktor dieses Freizeitvergnügens für Wagemutige einzuschätzen, sondern letztlich die touristische und städtebauliche Qualität eines solchen Angebots im Rahmen des Seepark-Projektes zu bewerten. Und hier war die Runde, ähnlich wie die parallel in Herdecke beratenden Kollegen sich einig, dass die beiden Rathäuser in interkommunaler Harmonie versuchen sollten, das ehrgeizige Millionenprojekt zu realisieren. Wobei die ganz Mutigen aus der Politik keine Gelegenheit ausließen, launig ihrer Vorfreude für den ersten Flug an einem Stahlseil über der Hengsteysee hinweg Ausdruck zu verleihen.
Bei einer Zip-Line handelt es sich um eine Seilrutsche, wie sie vielerorts in Europa schon als touristische Attraktion angeboten wird. Letztlich wird zwischen zwei unterschiedlich hoch gelegenen Punkten eine stählerne Verbindung nicht dicker als eine Stromtrasse geschaffen. In diesem Fall soll der Startpunkt im Schatten des Pumpspeicherbeckens oberhalb des Koepchenwerks liegen und die Strecke letztlich am Hagener Ufer in einer Landezone im Seepark Hengstey enden. Der besondere Kick für Mutige ohne Höhenangst: Sie klicken sich gesichert durch ein Gurtsystem an das Stahlseil und rauschen von einer Startplattform hinunter über den Stausee hinweg in die Tiefe. Dabei sollen Geschwindigkeiten von bis zu 90 Stundenkilometer erreicht werden.
Ruhrgebiet als Einzugsbereich
Nach den bisherigen Recherchen der Hagener Stadtverwaltung bei Projektentwicklern dieser Branche gibt es keine vergleichbare Anlage dieser Art in einem Radius von 100 Kilometern. Zugleich sei das Kundenpotenzial am Rande des Ruhrgebiets selbst bei Preisen zwischen 30 und 60 Euro pro Flug kolossal. „Das ist endlich einmal eine Idee abseits des grauen Standards“, lobte daher auch CDU-Sprecher Stephan Ramrath die Idee und appellierte an die übrigen Fraktionen, „nicht die Bedenken in den Vordergrund zu stellen“. Frank Schmidt unterstrich für die Fusionsfraktion BfHo/Die Partei: „Es gibt bei uns nicht so viele touristische Anziehungspunkte – schon gar nicht für junge Leute.“ Entsprechend gab es aus Hagen grünes Licht, das Projekt zu forcieren.
Ebenso entschieden parallel gleich drei Herdecker Fachausschüsse, nachdem der Hagener Fachbereichsleiter für Stadtentwicklung, Christoph Diepes, am anderen Ruhr-Ufer anhand einer Machbarkeitsstudie die Werbetrommel für dieses „sehr besondere Projekt“ gerührt hatte. Dabei zeigte er vor allem das enorme „touristische Potenzial in einem einmaligen Landschaftsraum“ auf. Dabei stehe die angedachte Seilrutsche nicht allein auf weiter Flur, sondern füge sich im dortigen Umfeld quasi in eine Bündel weiterer Attraktionen an beiden Ufern ein. „Es gibt für die Zip-Line bekanntlich einige Vorbilder, etwa im Harz oder in Winterberg. Jene im Sauerland ist bezüglich der Kulisse aber nicht so spektakulär wie es hier am Hengsteysee sein könnte“, so Diepes.
Logistische Fragen ungeklärt
Zum Schlüssel werden absehbar, neben der Investorensuche, die noch offenen logistischen Fragen: So ist zu klären, wie etwa die Adrenalin-Fans den möglichen Startpunkt am Ardey-Höhnenzug erreichen. Braucht es einen Shuttleservice, was ist mit der Reaktivierung des RWE-Schrägaufzugs, kommt eine Elektro- oder Solarfähre? Diese Varianten will Diepes unabhängig betrachten, „das eine bedingt auf keinen Fall das andere. Ein Shuttlebus mit Haltepunkten an bestehenden Parkplätzen scheint aber am realistischsten zu sein, wobei die Leute nicht bis zum Start gebracht werden sollen, sondern einige Meter zu laufen haben. Wir wollen die Gäste insgesamt im Gebiet halten.“
In Sachen Natur- und Vogelschutz stehen demnach ebenso noch Antworten aus. Zumal eine solche Anlage Auswirkungen mit sich bringe. Wenn Menschen an einem Seil vom Koepchenwerk zum Seepark rauschen, könne es „unkalkulierbare“ Geräusche geben. Insgesamt sprach Diepes von einigen zu erledigenden „Hausaufgaben“, wobei die Probleme nicht unüberwindbar erscheinen. Auszuschließen seien aber nach Rücksprache mit dem Ruhrverband in jedem Fall bauliche Maßnahmen im Hengsteysee: „Das will keiner.“
Insgesamt legten die Herdecker Wert darauf, dass bei diesem interkommunalen Projekt beide Seiten zu den Profiteuren zählen. Zugleich gab Jan Schaberick (SPD) trotz zahlreicher offener Detailfragen stellvertretend für die meisten Mandatsträger das klare Signal: „Wir sollten nun aber nichts kaputt reden, sonst wird die Zip-Line womöglich an der Hohensyburg in Dortmund gebaut.“ Zugleich unterstrich Daniel Matißik, Leiter des Herdecker Bau- und Planungsamtes, dass sich mit dem Seilrutschenprojekt das Kirchturmdenken überwinden lasse. „Zudem hat uns die Bezirksregierung mitgeteilt, dass die alleinige Weiterentwicklung des Koepchenwerks zu wenig sei, wir sollen den See als Ganzes sehen.“