Gelsenkirchen-Horst. Bau von Eigenheimen in Gelsenkirchen-Schaffrath: Welche unerwartete Ankündigung der Investor macht. Welche Forderung die Grünen daraus ableiten.
Heilig-Geist heißt es, das (einstige) Kirchen-Grundstück an der Giebelstraße im Schaffrath, wo die Deutsche Reihenhaus AG (DRH) 24 Eigenheime errichten will. Doch Programm ist der Name nun wirklich nicht. Seitdem bekannt wurde, dass dafür die katholische Kita geschlossen werden soll, laufen die Eltern der Einrichtung, Bürger und Politik Sturm. In der Bezirksvertretung West deutete sich nun eine überraschende Wende an.
Warum seit rund acht Monaten ein eher unruhiger Geist durch den Ortsteil weht, brachten zwei Schaffratherinnen noch einmal auf den Punkt: Der Bring- und Abhol-Dienst der Eltern zur neuen fünfgruppigen Alternativ-Kita an der Braukämperstraße, die ein Investor für den katholischen Kita-Zweckverband des Bistums Essen bauen will, belaste Familien zu stark, argumentierte Olivia Richter vom Kita-Elternrat. Einen Zweitwagen oder ein ÖPNV-Ticket finanzieren zu müssen, sei „unzumutbar“, so auch Andrea Hegemann, Initiatorin einer Unterschriftenaktion gegen das Einrichtungs-Aus.
Gelsenkirchener Kita-Eltern fürchten um den sozialen Zusammenhalt im Schaffrath
Ob Besuche bei Demenzkranken, Arbeit auf einer nahen Schrebergarten-Parzelle oder Mitgliedschaft in Vereinen vor Ort: Das alles sei für die Kita-Kinder nicht mehr möglich, wenn sie erst einmal an der Braukämperstraße untergebracht wären. Dies bedrohe den sozialen Zusammenhalt im Schaffrath mit seinem Insel-Charakter. Darüber hinaus fielen dem Projekt etliche alte Bäume zum Opfer, so die Kritik, und auch das Parkproblem werde weiter verschärft, da die vorgesehenen (32) Stellplätze nicht ausreichten.
„Nimmt man uns die Kita, fällt alles wie ein Kartenhaus zusammen“, appellierte Hegemann an die Verantwortlichen von Politik, Stadt und Investor, die jetzige zweigruppige Einrichtung zu erhalten bzw. auf dem Grundstück an der Giebelstraße eine neue zu bauen.
Investor betont, bezahlbares Wohneigentum schaffen zu wollen
SPD, Grüne und FDP bekräftigten ihre Unterstützung für die Akteurinnen: „So wie Sie denken die meisten Bürger im Schaffrath“, lobte etwa Thorsten Garbe (FDP) deren Engagement, nicht ohne die Architektur der Standard-Reihenhäuser als „Masse statt Klasse“ abzuqualifizieren. Zwei DRH-Vertreter hatten das Projekt zuvor vorgestellt und besonders dessen soziale Ausrichtung betont, bezahlbare Eigenheime für „Normal-Sterbliche“ zu bauen. Rund 100 Erwachsene und Kinder könnten dort ein neues Zuhause in Immobilien mit 100-prozentiger regenerativer Energie-Versorgung finden.
Mirco Kranefeld (Grüne) drohte derweil, den Plänen in der vorliegenden Form „nicht zuzustimmen, wenn vor Ort keine Kita vorgesehen ist.“ Günstiges Wohnen sei gerade in einer Stadt wie Gelsenkirchen „wichtig, aber eben nicht alles“, da es in Schaffrath und Beckhausen zu wenige Kita-Plätze gebe. Dabei attackierte er auch die SPD, deren Zustimmung zum Aufstellungsbeschluss im Rat im Oktober 2022 den „Fotos in der Öffentlichkeit“ widerspreche, auf denen sich Mandatsträger auf die Seite der Kita-Eltern stellten.
Deutsche Reihenhaus kündigt für Gelsenkirchener Projekt überraschende Wende an
SPD-Fraktionsvorsitzender Udo Gerlach wies dies empört als „Verunglimpfung“ zurück und bekräftigte, was zuvor schon Stefanie Hugot als Leiterin des städtischen Planungsreferats betont hatte: „Der Aufstellungsbeschluss ist nur ein Startschuss für die Bauleitplanung. Politik hat noch alle Möglichkeiten. Versuchen Sie doch nicht, die Leute für dumm zu verkaufen!“, schimpfte er in Richtung Kranefeld. Dass die SPD einem Bebauungsplan ihr OK versagen könnte, „wenn dieser das Interesse der Bevölkerung nicht berücksichtigt“, kündigte freilich auch er an.
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Nach so viel unruhigem Geist mussten die Bezirksverordneten schließlich mehrfach nachfragen, ob sie richtig verstanden hatten, was Lutz Zander, Leiter der Region Rhein-Ruhr bei der DRH, gegen Ende der rund eineinhalbstündigen Diskussion fast beiläufig erklärt hatte: „Solange der Kita-Zweckverband die Kita nicht räumt, ist der Vertrag noch nicht rechtsgültig. Wir kommen nicht auf das Grundstück, zahlen aber auch nicht.“ Und: Falls sich ein Investor fände, der eine Kita auf dem Heilig-Geist-Areal errichten und betreiben würde, wäre die DRH bereit, einen Teil der Fläche abzutreten, „natürlich nur gegen einen marktüblichen Preis.“
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Dass solch ein von der CDU geforderter Kompromiss „begrüßenswert“ (FDP) und als „Win-Win-Situation“ (Grüne) einzustufen sei, half die Wogen etwas zu glätten. Von einem friedvollen Geist geprägt war der Rittersaal im Schloss Horst aber trotzdem nicht: Kranefeld sah nicht nur die von vielen als unsozial gebrandmarkte Pfarrei St. Urbanus in der Verantwortung, sondern auch die Stadt: „Sie muss die Quartiere lebenswert gestalten. Wenn sich kein Investor finden sollte, der eine Kita an der Giebelstraße baut, muss die GGW als letzte Rückfallebene einspringen.“