Gelsenkirchen-Buer. 1998 eröffnete Vincenc Els die Oisin Kelly Gallery an der Brinkgartenstraße in Gelsenkirchen-Buer. Der Wirt blickt auf 50 Jahre Erfahrung zurück.
Das Wort „Kult“ wird in diesen Tage zunehmend inflationär benutzt. Da wird ein Film zum Kultfilm, der gerade einmal ein Jahr aus dem Kino ist, da wird ein Fußballspieler zum „Kultkicker“, weil eine hingeworfene Bemerkung von ihm als lustig-intelligent missverstanden wird. Kult: Diesen Status muss man sich verdienen. Vincenc Els aber ist Kult in Gelsenkirchen-Buer, jede der vielen Kneipen, die er betrieben hat, ist Kult. Das gilt natürlich auch für die Oisin Kelly Gallery. Der Irish Pub an der Brinkgartenstraße feiert in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag.
Welchen Geburtstag der Wirt feiert, darüber schweigt er sich aus. Spielt eh keine Rolle. „Vinc“ (die eigenwillige Schreibweise ist genauso gewollt) hat so viele Dinge erlebt, dass es mindestens für zwei Leben reicht. Und im Gespräch mit ihm wird deutlich: Im Herzen ist er sowieso jung geblieben.
Geboren wurde der heutige Gelsenkirchener in Köln
Geboren wird Vinc Els in Köln, den rheinischen Zungenschlag hat er nie abgelegt. Dass er trotz der allen Kölnern angeborenen Liebe zu seiner Heimatstadt genau diese eher früher als später verlassen würde, steht auch schon früh fest. Sein erster Berufswunsch: Weltenbummler. „Ich habe schon als Kind das Buch ,Ich radle um die Welt’ von Heinz Helfgen verschlungen.“ Die Eltern raten trotzdem zunächst einmal zu einem bürgerlichen Beruf, und so absolviert Els eine Ausbildung zum Gürtler. „Den Beruf kennt heute kaum noch jemand“, sagt der Wirt: Ein Gürtler bearbeitet und verformt Metalle zur Herstellung von Gebrauchs- und Schmuckgegenständen.
Die weite Welt kam dann nach der Ausbildung: Mit einem alten Volkswagen geht es gemeinsam mit einem Freund nach Schweden. Zwei Jahre verbringt Vinc dort, arbeitet mal hier, mal da, auf Schiffen, in Fischfabriken – und in einer Wäscherei. Bis die Fremdenpolizei auftaucht. „Unser Visum galt nur für drei Monate und war längst abgelaufen“, erinnert er sich, „da mussten wir das Land schweren Herzens verlassen.“ Dass das Herz schwer war, damit hatte offenbar auch die Tochter des Wäschereibesitzers zu tun, erzählt er.
„Wo ist denn dieses Gelsenkirchen-Buer?“
Daheim wartet die Uni. Els studiert Mess- und Regeltechnik, arbeitet bei Bayer Dormagen und spielt nebenbei Handball für den gleichnamigen Werksverein. Außerdem entdeckt er die Liebe zum Surfen – „eigentlich habe ich immer nur Geld verdienen wollen, um damit in die Welt zu fahren.“ Vinc reist nach Brasilien und Mexiko, lässt weder hier noch da viel anbrennen, weder wenn es um das Surfen noch um die Frauen geht. Und wenn er in Deutschland ist, zieht es ihn in die Düsseldorfer Altstadt. „Dort gab es damals das Lokal ,Linse’“, erinnert er sich. „Da konnte man schon mal auf Campino oder Marius Müller-Westernhagen treffen.“ Vinc macht eine andere Bekanntschaft, und die verändert sein Leben: Uli Lüke aus Buer.
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Lüke plant damals, in Buer eine Kneipe zu eröffnen und fragt Vinc, ob er Lust hätte, einzusteigen. „Ganz ehrlich: Ich musste erstmal fragen, wo dieses Buer ist und ob es da eine Autobahnabfahrt gibt“, sagt der Wirt heute und lacht. Doch er sagt zu, zieht vom Rheinland nach Westfalen, und der Rest ist Geschichte. Die Kneipe, die die beiden 1972 eröffnen, heißt „Lokal ohne Namen“, rund um Buer kennt man sie nur unter einem anderen Namen: „Fuck“.
Das Motto der Oisin Kelly Gallery: „Nicht mittendrin, aber nah genug“
Es wird nicht die einzige Kneipe bleiben, die er im Laufe der folgenden Jahre führt. Mit Ronald „Ronnie“ Schmitz betreibt er erst die Destille und dann das Plettenberg. Später ist er Chef des Maxi – „mit dem schönsten Biergarten von ganz Buer“, sagt er. Als die Kneipe Ende der 1990er-Jahre wegen Umbaus geschlossen werden muss, schaut er sich nach etwas anderem um. An der Brinkgartenstraße 25 wird er fündig. „Ein Irish Pub würde dort gut passen“, ist er sich sicher. Er reist nach Irland, schaut sich an, wie dort Pubs funktionieren, spricht mit Experten, Brauereivertretern und eröffnet 1998 die „Oisin Kelly Gallery“, benannt nach Oisín Kelly, einem irischen Bildhauer.
„Es ist im Grunde so wie das Fuck – nur mit irischer Dekoration und Guinness“, sagt er schmunzelnd. Das Konzept geht auf, obwohl oder vielleicht gerade weil die Kneipe nicht in Glaswurfweite vom Buerschen Dom, sondern eher am Rand der Innenstadt liegt. „Nicht mittendrin, aber nah genug“: Das Motto ist bis heute gültig.
Nach den Sommerferien soll gefeiert werden
Denn 25 Jahre nach der Gründung ist die Oisin Kelly Gallery auch 2023 noch ein beliebter Anlaufpunkt: Für das Treffen mit den Vereins- oder Parteikollegen, für ein Bier nach Feierabend – und vor allem für Musik. Von Anfang an hat Vinc Els Wert darauf gelegt, Künstlern eine Auftrittsmöglichkeit zu bieten. Wenn nicht gerade das Corona-Virus grassiert, ist hier mindestens einmal im Monat Livemusik. An jedem dritten Dienstag im Monat ist Folk-Session, dann darf jeder Gast selbst ein Instrument mitbringen und mitmachen. Die nächste Session ist am 17. Januar ab 19 Uhr. Der 25. Geburtstag des Pubs soll natürlich auch gefeiert werden: „Aber erst nach den Sommerferien“, sagt der Wirt.
Nahezu jeden Abend steht Vinc Els noch heute hinter der Theke, zapft Bier, bereitet seine legendäre Currywurst zu – und wirft einen kritischen Blick auf Buer, das längst zu „seinem“ Buer geworden ist. „Buer ist älter geworden“, findet er, „es fehlen die Angebote für die Altersgruppe 20 bis 35.“ Dass Gelsenkirchen inzwischen Hochschulstandort ist, werde vernachlässigt: „Die Stadt sollte sich mehr um die Studenten kümmern“, fordert er. Wie lange er den Job noch machen will? „So lange es mir Spaß macht und die Leute mich haben wollen“, sagt er.
Das darf man ruhig als Koketterie verstehen. Zum einen ist der Mann aus der Buerschen Gastroszene schlicht nicht wegzudenken, zum anderen muss natürlich erwähnt werden, dass Vinc Els, ganz im Sinne der irischen Tradition, ein großartiger Geschichtenerzähler ist. Wenn mal im Pub nicht ganz so viel zu tun ist (und ihm die Gäste sympathisch sind) dann erzählt er, erzählt vom Buer von früher, lässt alte Kneipen und Buersche Originale wieder auferstehen.
Und das darf auch noch gerne weitere 25 Jahre so bleiben.