Gelsenkirchen. Immer mehr Kirchen werden geschlossen, Gläubige wenden sich enttäuscht ab. Hat die Kirche in Gelsenkirchen noch eine Zukunft, Herr Stadtdechant?
Sie schließen, weil sie müssen, weil sie stetig Mitglieder verlieren, am Ende gar, weil sie nicht mehr gebraucht werden? In Gelsenkirchen, wo sie Teil des Stadtnamens sind, so wie anderswo müssen sich Christen immer öfter von ihren Kirchen verabschieden.
Den Gläubigen, die noch geblieben sind, schmerzen diese Entscheidungen, weil ein Teil dessen, was für sie Heimat ausmacht, auf der Strecke bleibt. Und natürlich schmerzt es auch denen, die diese Entscheidungen treffen und durchführen müssen, so wie dem Stadtdechanten Markus Pottbäcker.
Wer den lebensfrohen, progressiven Mann kennt, der aus Scham, Solidarität und als Zeichen des Protests vor dem Umgang der katholischen Kirche mit dem Missbrauchsskandal vor einem Jahr auch schon Kruzifixe in Gelsenkirchen verhüllen ließ, der weiß, wie schwer es Pottbäcker fällt, Gotteshäuser in Gelsenkirchen schließen zu müssen. Im Gespräch mit der WAZ Gelsenkirchen stellt sich der Propst der Frage: „Braucht Gelsen – Kirchen noch?“
Gelsenkirchener Propst Markus Pottbäcker versteht die Enttäuschung der Gläubigen
„Vor 20 Jahren waren es noch 38 katholische Kirchen in Gelsenkirchen und es werden in ein paar Jahren noch sieben oder acht sein. Das sind große Zahlen und das sind große Veränderungen, aber es ist einfach die Anpassung an die Realität. Denn tatsächlich sind nicht nur die Finanzen für uns ein großes Problem und werden es auch absehbar in Zukunft weiter sein, sondern auch der enorme Schwund an katholischen Christinnen und Christen in Gelsenkirchen.“
Dennoch, darauf antwortet Pottbäcker unbeirrt, brauche Gelsenkirchen auch in Zukunft Kirchen: Als Häuser einer Erfahrung von Spiritualität und von Transzendenz. Auch in diesen Zeiten bräuchte Gelsenkirchen Häuser, die es möglich machten, die Sehnsucht, die einige Menschen in sich tragen, in einer haptischen, greifbaren Form Wirklichkeit werden zu lassen.
„Natürlich kann ich Gott überall erfahren, das wird vielen Menschen auch so gehen, doch die in einer besonderen Weise dafür vorbehaltenen Häuser wie Kirchen sind notwendig. Wir erleben, dass viele Kirchen leider tagsüber schließen müssen, während die, die geöffnet sind, auch sehr gut besucht werden. Das ist ein gutes Zeichen und belegt, dass vielen Menschen, die nicht zum Gottesdienst kommen, diese Orte aber dennoch aufsuchen, Kirchen wichtig sind.“
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Indes bleiben immer mehr profanierte Kirchen im Stadtgebiet zurück. Nicht selten sind es beeindruckende Bauten, Zeugen der Zeitgeschichte und einer Zeitenwende. Nicht jeder Bau kann erhalten werden, nicht für jede Kirche gibt es Pläne zur Finanzierung einer Weiternutzung. „In manchen Fällen lässt es sich nicht verhindern, dass die Kirchen auch abgerissen werden und einer neuen Verwendung zugefügt werden, aber wir versuchen in Absprache mit den zuständigen Behörden immer eine möglichst gute Lösung für eine Nutzung zu finden. Wer weiß, vielleicht kommen wir in 100 oder 200 Jahren darauf zurück, diese Gebäude zu revitalisieren in dem Sinne, dass sie dann vielleicht wieder Kirchen sein können“, wirft Pottbäcker einen weiten Blick in die Zukunft.
Dann atmet der Stadtdechant tief ein. Die nächste Frage umschreibt schließlich, was dem Priester wohl am schwersten fällt: Was er den enttäuschten Gläubigen entgegnet, deren Kirche er schließen muss?
„Ich verstehe, dass sich Menschen enttäuscht von der Kirche abwenden, wenn die Gebäude, mit denen sie eine persönliche, geistliche Beheimatung verbinden, geschlossen werden. Das ist ja auch eigentlich ein gutes Zeichen, aber die Wirklichkeit zwingt uns leider dazu. Wenn wir uns diese Kirchen als Gebäude nicht mehr leisten können und wenn wir eben auch merken, dass immer weniger Menschen in diese Gebäude gehen, kann ich nur immer wieder um Verständnis bitten.“
Dass sich die Betroffenen häufig von der Kirche im Stich gelassen fühlen und traurig sind, das könne Pottbäcker nachvollziehen, aber er müsse eben auch eine Verantwortung für die Zukunft wahrnehmen. „Wenn ich das alles einfach laufen lasse, dann wird es alles noch viel, viel schlimmer. Noch können wir den Prozess ja zumindest noch ein bisschen mitgestalten und schauen, dass wir an markanten Orten Gotteshäuser noch erhalten und auch mit Leben füllen können. Rein museal braucht es die Kirchen auch nicht, denn sie sind Orte des Gebetes und der Begegnung mit Gott - und dafür muss es auch die Menschen geben“, unterstreicht der Geistliche.
Leider sei es so, dass diese Gotteshäuser von der Kirche in Gelsenkirchen nur noch im sehr eingeschränkten Maße vorgehalten werden können, „aber wir halten sie vor und wir werden auch in Zukunft noch weiter Kirchen vorhalten“, ist sich Pottbäcker sicher.