Oberhausen. Der Dachgarten auf dem Oberhausener Jobcenter gilt als Leuchtturmprojekt. Doch derzeit wächst über den Dächern der City nicht viel. Die Gründe.
Gerade einmal ein paar Zentimeter sind sie erst groß, die Blätter der Feldsalate im Dachgewächshaus auf dem Oberhausener Jobcenter. Ein wenig einsam sehen sie auf dem großen Pflanztisch aus. Ringsherum: nichts. Keine Kräuter, keine weiteren Blattsalate, wohin man blickt: kein Grün. Haben die Skeptiker Recht? Stimmt es, was unter anderem sogar Axel Schmiemann, Vorstand des CityO-Managements, behauptet? Liegt der Betrieb des Altmarktgartens gut ein Jahr nach der spektakulären Eröffnung brach? Ist das Projekt gescheitert?
Nein, davon könne keine Rede sein, sagen Betreiber und Stadt. Tatsächlich wächst über den Dächern der Oberhausener Innenstadt derzeit nicht viel. Doch das habe Gründe, erklärt Wolfgang Grüne, Mitarbeiter der Betreiber-Firma Exner. „Wir sind mit Vollgas gestartet, mussten die Produktion wegen der Corona-Krise aber herunterfahren." Restaurants sind geschlossen, Wochenmärkte weniger gut besucht, auch Schulen und Kitas benötigen kaum noch Lebensmittel. „Wir haben keine Bestellungen mehr bekommen", erklärt Grüne.
Abwärme der Computerräume nutzen
Zum Anderen sei es aber durchaus auch im Konzept so vorgesehen, dass im Winter naturgemäß weniger wächst. „Das würde derzeit noch zu viel Energie verbrauchen", erklärt der Fachmann. Der Dachgarten habe schließlich den Anspruch, möglichst ressourcen- und dadurch klimaschonend zu arbeiten. Wärme sei dabei kein Problem, die kommt unter anderem aus dem Gebäude selbst durch die Abwärme der Computerräume. Aber in der dunklen Jahreszeit benötigen Pflanzen sehr viel Licht. Das würde zudem auch die Anwohner stören, die sich bereits im Frühjahr 2020 über das helle Licht beschwert hatten.
Dritter Grund: Von Ende November bis Anfang Februar gibt es in den allermeisten Gärtnereien grundsätzlich eine Pause. Das Gewächshaus benötigt diese Pause, Flächen wurden gereinigt und desinfiziert, die technischen Anlagen gewartet. In wenigen Wochen sollen dann bereits wieder die ersten Erdbeeren gepflanzt werden.
Zur Erinnerung: Im September 2019 wurde der Dachgarten auf dem Jobcenter-Gebäude am Altmarkt eröffnet. Es gilt als Vorzeige-Projekt für eine Landwirtschaft mitten in der Stadt. Im Dachgarten wachsen Kräuter, Erdbeeren, Salate und später auch Gemüse - gespeist mit Ressourcen, die das Gebäude selbst produziert. Regenwasser wird aufgefangen, die Abwärme wird nach oben geleitet.
4,6 Millionen Euro hat der Bau des Dachgartens gekostet - 2,3 Millionen Euro stammten aus Fördermitteln, die „selbstverständlich nicht zurückgezahlt werden müssen nur weil der Betrieb derzeit wegen Corona nicht im vollen Umfang läuft", weist Alexander Höfer, Sprecher der neu gegründeten Servicebetriebe Oberhausen (SBO) anderslautende Gerüchte zurück. Die Servicebetriebe haben die Verantwortung für den Dachgarten von der Oberhausener Gebäudemanagement GmbH (OGM) zum 1. Januar 2021 übernommen.
Salat und Erdbeeren für Kitas, Schulen und Altenheime
Die Ernte wird auf dem Wochenmarkt direkt nebenan verkauft. Restaurants gehören zu den Abnehmern ebenso wie Altenheime, Schulen und Kitas. Zudem gibt es einen Forschungsbereich des Oberhausener Instituts Fraunhofer Umsicht, in dem Experten nach Lösungen für die Herausforderungen auch des Klimawandels suchen. Das Ziel: Lebensmittel im städtischen Umfeld zu produzieren, um lange Lieferwege zu vermeiden und die Menschen in Zukunft mit Nahrung versorgen zu können. Der Bereich wurde jüngst noch einmal technisch nachgebessert. Anders als Gerüchte es kolportieren, gehen die Forschungsarbeiten weiter.
Die Eröffnung des Dachgartens vor knapp anderthalb Jahren hatte ein deutschlandweites Medien-Echo zur Folge. Es zog Forscher nach Oberhausen, Architekten, Studenten. Und an dieser Strahlkraft habe der Dachgarten bis heute, trotz der anhaltenden Corona-Krise, nicht verloren, erklärt Alexander Höfer.
Studenten möchten in Oberhausen ihre Bachelorarbeiten schreiben
Noch immer erreichen Anfragen aus ganz Deutschland die Stadt: Studenten aus den Bereichen Umwelt, Architektur oder Fotografie möchten nach Oberhausen kommen, das Jobcenter-Gebäude samt Dachgarten besichtigen, bei der Arbeit dabei sein, um später Bachelor- oder Masterarbeiten über das Projekt zu schreiben. „Wir arbeiten derzeit viel im Hintergrund, um dies den Studenten tatsächlich ermöglichen zu können", erklärt Höfer.
Auch Besuchergruppen aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland melden sich schon jetzt an, um nach Corona-Krise und Lockdown nach Oberhausen zu kommen und sich das Projekt anzuschauen. Zwei Preise hat die Stadt mit Gebäude und Gewächshaus bereits gewonnen: einen Architektur-Wettbewerb und eine Auszeichnung für intelligente Gebäudeplanung. Bei drei weiteren Wettbewerben sei der Dachgarten gut im Rennen, sagt Horst Kalthoff, technischer Betriebsleiter der neuen Servicebetriebe.
Kritik am Dachgarten, wie sie etwa auch Axel Schmiemann vom City-O-Management öffentlich äußert, wolle er sportlich nehmen, sagt Kalthoff. Auch, wenn es ihm manchmal schwer falle. „Denn manchmal werden einfach Behauptungen aufgestellt, ohne diese aber vorher mal zu prüfen." Wenn sich jemand wundere, warum im Gewächshaus derzeit nicht so viel wächst, „kann er uns doch einfach fragen".
>>> Betreiber für Dachgarten-Café gefunden <<<
Schwer getan hatte sich die Stadt zunächst damit, einen Betreiber für ein neues Café zu finden, das direkt am Altmarkt öffnen sollte und die Produkte des Dachgartens anbieten sollte. Doch das Warten hat ein Ende.
„Ein Betreiber ist gefunden", sagt SBO-Betriebsleiter Horst Kalthoff. Wann das Café eröffnet, steht allerdings noch nicht fest. Bislang ist lediglich ein Bauantrag bei der Stadtverwaltung gestellt.