Mülheim. Viele Krankheitsfälle im Kollegium bereiten mancher Mülheimer Schule Sorge: Zwar fällt selten Unterricht aus, aber es gibt oft Lehrerwechsel.
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Das Problem bestand schon zu Schuljahresbeginn. Die Schulen litten darunter, dass viele Lehrerinnen und Lehrer erkrankt waren und der Lehrermarkt leer gefegt war. Die Situation hat sich jetzt zum Winter hin an manchen Schulen noch verschärft. Weitere Pädagogen fallen aus Krankheitsgründen aus, und Vertretungslehrer sind so gut wie nicht mehr zu finden – etwa an der Otto-Pankok-Schule (OP)
Jens Schuhknecht, OP-Leiter, gibt ein Beispiel: „Wir brauchen unbedingt eine Vertretungskraft für den Spanisch-Unterricht. Auf dem Markt gibt es aber niemanden, der dafür in Frage kommt. Kürzlich hatte ich eine Studentin mit erstem Staatsexamen gefunden, am nächsten Tag hat sie angerufen und erklärt, dass sie woanders einen Vertrag unterschrieben hat.“ Etwas anders gelagert ist die Situation an der Luisenschule: Dort sucht man nicht generell, aber für ein ganz bestimmtes Fach eine Vertretungskraft: Physik. „Das ist ein großes Problem. Physiklehrer gibt es ohnehin nicht viele“, sagt Leiterin Dr. Heike Quednau.
Immer wieder neue Vertretungskräfte für Mülheimer Schüler
Zwar sieht die Statistik nicht schlecht aus – 99 bis 107 Prozent der Stellen an den Mülheimer Gymnasien sind besetzt. De facto fehlen mancherorts aber Lehrer und Vertretungslehrer, springen Kolleginnen und Kollegen für die Erkrankten ein. Die Schüler müssen sich immer wieder auf Vertretungen einstellen. „Viele interne Umschichtungen sind notwendig“, nennt es Jens Schuhknecht vom OP.
Ein zweites Problem neben den Krankheitsfällen: Schwangere Kolleginnen müssen in der Pandemie nicht mehr in Präsenz unterrichten. Das Gymnasium Broich etwa meldete vor Wochen viele solcher Fälle. „Unterrichten sie per Videokonferenz, muss trotzdem ein Vertretungslehrer mit im Raum sitzen – und den muss ich erstmal haben“, erklärt Jens Schuhknecht. Wie viele Kollegen durch längerfristige Krankheit oder Schwangerschaft bei ihm ausfallen, sagt er nicht. Mit einem Rechenbeispiel unterstreicht er aber die generelle Problematik: „Sind von 70 Lehrern nur sieben krank, sind das schon zehn Prozent, die man ersetzen muss“. Derzeit hat das OP zwei Vertretungsstellen ausgeschrieben, zwei bis drei weitere sind noch offen. Engpässe gibt es vor allem in Kunst, Religion, Erdkunde, Spanisch.
Quereinsteiger, Studenten, Pensionäre gesucht
Die Bezirksregierung erklärt zum Thema: „Die Lehrkräfteversorgung in Nordrhein-Westfalen und auch im Regierungsbezirk Düsseldorf ist weiterhin eine Herausforderung.“ Man sei bestrebt, eine gute Lehrerversorgung an allen Mülheimer Schulen sicherzustellen – auch durch Einstellung von Vertretungskräften. Aber: „Leider können Vertretungsstellen nicht immer besetzt werden. Dies ist wie bei den Stellen für dauerhafte Lehrkräfte auf einen Mangel an Bewerberinnen und Bewerber zurückzuführen.“ Eine Krux: In den Mangelfächern (wie Physik) werden Bewerber meist sofort fest angestellt, sie stehen als flexible Vertretungskräfte dann nicht mehr zur Verfügung.
Zahlen der Bezirksregierung
Die wöchentliche Schulabfrage des Schulministeriums zeigt: Aktuell liegt der Anteil der Lehrkräfte, die aufgrund der Pandemie nicht im Präsenzunterricht einsetzbar sind, im Regierungsbezirk Düsseldorf bei unter 2 Prozent.Selbst eine zu hohe Personalausstattung bedeutet laut Bezirksregierung nicht automatisch eine Überversorgung der Schule, „denn es könnte beispielsweise noch Bedarfe in bestimmten Unterrichtsfächern geben, oder es fehlen Sonderpädagogen“.Fachlehrer fehlen in NRW für Informatik, Naturwissenschaften, aber auch für Musik und Kunst. .
Weil die Not groß ist, würde manche Schule in bestimmten Fächern auch auf Quereinsteiger, Studenten oder pensionierte Lehrer als Vertreter zurückgreifen – sofern man denn überhaupt geeignete Personen findet. „Wir haben auch schon die Eltern angesprochen und gebeten, im privaten Umfeld zu erfragen, ob es Interessenten gibt“, so Schuhknecht. Nicht jeder könne allerdings eine Gruppe mit 30 Kindern anleiten. Noch führe der Mangel an Vertretungslehrern am OP nicht zu einem kontinuierlichen Unterrichtsausfall, ausfallende Randstunden allerdings kämen aber vor. Beschwerden seitens der Eltern verzeichne er nicht“, berichtet Matthias Hahn, Schulpflegschaftsvorsitzender am OP. Die Schule suche ja mit aller Kraft nach neuen Kollegen.
Den Unterrichtsstoff aufholen vom letzten Corona-Jahr
Auch für die Förderprogramme, mit denen an manchen Schulen Lerndefizite aus dem vergangenen Corona-Jahr aufgeholt werden sollen, ist kaum Personal zu finden. Es fehlt an externen Lerntrainern für Kleingruppen, die drei bis sechs Stunden „Nachhilfe“ geben könnten. „Wir sind offen für jeden, der sich vorstellen kann, mitzumachen“, sagt Jens Schuhknecht.
Die Tätigkeit ist nicht ehrenamtlich, sondern wird bezahlt. Aufgeholt werden muss einiges – parallel zum regulären Unterricht. „Wir können den Lehrplan ja nicht anhalten, müssen primär den aktuellen Stoff unterrichten“, so Jens Schuhknecht. Für die Kleinen hat das OP Mittel für die Rechtschreibförderung beantragt. Sie soll im Januar in den 5. und 6. Klassen starten. Denn: Manche Schüler bringen ja schon Corona-Defizite aus der Grundschule mit.