Gelsenkirchen. Einfacher sparen können 877 Gelsenkirchener, die per Photovoltaik-Anlage Strom erzeugen. Wer jetzt wie von der neuen Gesetzeslage profitiert.
Wer mit einer Photovoltaik-Anlage auf einem Ein- oder Zweifamilienhaus Strom erzeugt, bekommt Geld dafür, dass er einen Teil des Stroms ins Netz einspeist. Auf diesen Ertrag sind dann eigentlich Steuern fällig. Was viele nicht wissen: Seit Anfang Juni ist das wesentlich einfacher geregelt.
„Profitieren von der neuen Regelung können alle Anlagenbetreiber, die seit 2004 eine Anlage in Betrieb genommen haben mit einer Leistung bis zu zehn Kilowatt bei Photovoltaik und bei kleinen Blockheizkraftwerk (BHKW) mit bis zu 2,5 Kilowatt Leistung“, sagt Thomas Seltmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
1147 Photovoltaik-Anlagen in Gelsenkirchen, 901 davon werden privat genutzt
Grundlage der Vereinfachung ist ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums. Es betrifft Betreiber, die ihre Anlagen vor allem als Eigenversorger nutzen und die mit der Einspeisung eigentlich nur die Förderung aus dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) in Anspruch nehmen wollen, die aber nicht als ein Stromproduzent und Verkäufer auf dem Markt auftreten wollen.
Die Neuerung: Steuerpflichtige müssen in diesen Fällen keine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für den Betrieb der Photovoltaik-Anlage oder des Mini-BHKW mehr abgeben. Einnahmen aus dem Verkauf des Stroms, zum Beispiel aus der EEG-Einspeisevergütung, werden in der Einkommensteuer damit auf Anweisung des Ministeriums nicht mehr berücksichtigt.
Wer die Vereinfachung nutzen möchte kann das dem Finanzamt formlos erklären - am einfachsten mit Verweis auf das offizielle Schreiben des Finanzministeriums vom 2. Juni 2021. Und das dürften einige sein. Nach Angaben von Stadtsprecher Martin Schulmann „sind in Gelsenkirchen aktuell 1147 Photovoltaik-Anlagen in Betrieb.“ Darunter sind 877 Anlagen mit einer Leistung bis zu zehn Kilowatt, 901 werden privat genutzt, 246 gewerblich. Die installierte Gesamtleistung der PV-Anlagen beträgt 22.564,38 Kilowatt.
Vorteil: Wegfall der Buchführung, Gewinne nicht mehr in der Einkommensteuer erklären
Der Vorteil: Für die Photovoltaik-Anlage braucht man keine Buchführung mehr zu machen und muss Gewinne daraus nicht mehr in der Einkommensteuer erklären. „Wenn ich jetzt diese Vereinfachungsregelung beantrage, dann wird diese Regelung sogar automatisch für die Vorjahre angewendet und zwar für die Jahre, für die man noch keine Steuererklärung abgegeben hat oder für die Jahre, wo der Steuerbescheid noch nicht rechtskräftig ist“, sagt Thomas Seltmann.
Strom von eigener Anlage auf dem Dach ist deutlich billiger
Der Strom vom eigenen Dach kostet Bezieher nach Angaben der Verbraucherzentrale bei einer Anlagengröße von 5 bis 10 kW nur etwa 13 bis 11 Cent pro Kilowattstunde (kWh), während man für Strom aus dem Netz 25 bis 29 Cent (brutto) pro Kilowattstunde bezahlen muss.Die Experten der Verbraucherzentrale beraten Eigentümer bei der Planung und Auslegung von Photovoltaik-Anlagen. Ganz wichtig dabei: Eine Steuerberatung findet nicht statt. Am 4. August findet ein kostenloses Online-Seminar zum Thema „Photovoltaik und Batteriespeicher“ statt.Kontakt: Verbraucherzentrale Gelsenkirchen, Robert-Koch-Straße 4, 0209 15760301
Für die meisten ist die neue Vereinfachungsregelung von Vorteil, aber mitunter kann es auch zum Nachteil gereichen. Und zwar wenn man in den Vorjahren Verluste aus der Anlage geltend gemacht hat, um Steuern zu sparen. „Dann“, so der Verbraucherschützer weiter, „sollte man sich zuerst mit einem Steuerberater darüber unterhalten ob die neue Regel bereits jetzt oder doch vielleicht erst später in Anspruch zu nehmen ist.“
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Die Umsatzsteuer ist laut Verbraucherzentrale von der neuen Regelung nicht betroffen, sie muss also weiter gezahlt werden wie bisher. Unter bestimmten Umständen können sich Betreiber von solchen Anlagen, die beim Kauf gezahlte Mehrwertsteuer erstatten lassen.
Finanzieller Vorteil aus der Ersparnis, Strom nicht mehr aus dem Netz zu beziehen
Wer sich allerdings bereits von der Umsatzsteuerpflicht hat befreien lassen und das künftig auch für die Einkommensteuer tut, hat im Hinblick auf Photovoltaik-Anlage oder Blockheizkraftwerk nichts mehr mit dem Finanzamt zu tun. Wird eine solche Anlage wie bei den meisten in erster Linie betrieben, um den Strom selber zu nutzen und von der finanziellen Förderung durch das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ zu profitieren, so wird das nun laut Bundesfinanzministerium steuerlich als „Liebhaberei“ eingestuft. Diese Liebhaberei steht im Gegensatz zur Absicht, mit dem Verkauf von Strom Gewinne zu erzielen.
Anders als früher könne man inzwischen mit kleinen Anlagen ohnehin keinen großen Gewinn mehr machen“, betont Thomas Seltmann. Vor allem, weil die Vergütung erheblich gesunken sei. Im Juli 2021 lag die Einspeisevergütung bei 7,47 Cent je Kilowattstunde, vor zehn Jahren lag der Betrag noch zwischen 21,11 Cent und 28,74 Cent.
„Der finanzielle Vorteile für den Anlagenbetreiber ergibt sich heute hauptsächlich aus der Ersparnis von Strom, den man nicht mehr aus dem Netz bezieht“, sagt daher Thomas Seltmann.
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