Oberhausen. Etwas verspätet zum Jubiläum inszeniert Florian Fiedler die Komödie „Kohlenstaub und Bühnennebel“ in der Aula des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums.
Mit Shakespeare „wird’s moderner“, sagt Florian Fiedler. Denn beim Rückblick auf mittlerweile 101 Jahre des Theaters Oberhausen orientierten sich der Intendant und Akın Emanuel Şipal, der Autor von „Kohlenstaub und Bühnennebel“ am handfest gezimmerten Laienspiel der Handwerker aus dem „Sommernachtstraum“: So lässt sich komödiantisch ungebremst auf der schmalen Bühne des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums von Epoche zu Epoche springen. Am Samstag, 30. Oktober, um 20 Uhr hebt sich der Vorhang zur Uraufführung in der Schulaula an der Bismarckstraße 52.
Ein turbulentes „Laienspiel“, dargeboten von den Profis des Ensembles, heißt allerdings nicht, dass Regisseur und der 30-jährige Gelsenkirchener Dramatiker Şipal hinweggehuscht wären über die reichlich vertrackte Historie des Oberhausener Schauspiels. Im Gegenteil: Beide vertieften sich im Stadtarchiv in Rezensionen seit September 1920, seit der allerersten Premiere mit „Sappho“, einer Liebestragödie um die erste Poetin der griechischen Antike, 1818 erdichtet vom Wiener Romantiker Franz Grillparzer.
Florian Fiedler räumt ein, es sei selten, dass man sich nach Lektüre einer Rezension die Aufführung wirklich vorstellen könne: „Manches liest sich inzwischen sehr altbacken; manches ist im Ton ähnlich wie heute.“ Oscar Wilde hatte eben doch recht: Jede Kritik ist ein Stück Autobiografie. Zum Glück hatte Oberhausen ja den über Jahrzehnte rührigen Chronisten Gerd Lepges: Gewissenhaft habe sich Akın Emanuel Şipal das ein Dutzend Bände umfassende Gesamtwerk des Unermüdlichen vorgenommen.
„Vielleicht noch etwas alberner als ich“
Mehr noch: Der Autor hat auch einen Chronisten in die Handlung von „Kohlenstaub und Bühnennebel“ geschrieben. Die Intendanten der Schauspiel-Ära seit 1992 behalten auch in der Komödie ihre bekannten Namen. „Der Florian Fiedler im Stück“, sagt Florian Fiedler, „ist vielleicht noch etwas alberner als ich“. Eine weihevolle Würdigung steht also nicht zu befürchten. Etwas in der Richtung hatte der Regisseur nämlich 2019 erlebt, als er sich die – streng an der Folge der Intendanzen erzählte – Jubiläumsfeier des Bochumer Schauspielhauses ansah.
Elf Vorstellungen von „Kohlenstaub und Bühnennebel“
Karten für die Premiere (und für die weiteren Vorstellungen) von „Kohlenstaub und Bühnennebel“ kosten 20 Euro. Bis zum Jahresende sind insgesamt elf Vorstellungen in der Aula des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums vorgesehen, weitere im neuen Jahr.Die Aula an der Bismarckstraße 52 im Marienviertel, einen kurzen Spaziergang entfernt vom geschlossenen Theater, verfügt über zehn Sitzreihen im Parkett und weitere sechs im Rang. Im Schachbrettmuster kann das Theater so pro Vorstellung rund 200 Karten verkaufen, erhältlich an der Theaterkasse 0208 - 8578 184, per Mail an besucherbuero@theater-oberhausen.de.Was den Fortschritt der Sanierungsarbeiten am Will-Quadflieg-Platz betrifft, zeigt sich der Intendant inzwischen guter Dinge: Die Spielzeit im Großen Haus werde Mitte Januar starten können.
Dann lieber die Epochen munter durchmischen. Das finstere Kapitel der NS-Zeit wird in „Kohlenstaub und Bühnennebel“ zum Thema, weil die Laientruppe sich dagegen sträubt, es zum Thema zu machen. „Und in den 50er Jahren“, erzählt Florian Fiedler, „kommt Günther Büch aus der Zukunft und erzählt, was das Theater in den 60ern erleben wird“. Ballett und Musiktheater werde die Jubiläumsproduktion auch nicht unterschlagen – obwohl sich der Intendant, wie er ironisch erzählt, „kein Orchester kaufen konnte“. Hätte vor der schmalen Bühne der Schulaula auch keinen Platz mehr gehabt.
Last, not least, wird auch das Theater selbst im „Bertha“ auftreten. Im „Sommernachtstraum“ muss ja auch einer der Handwerker die Wand spielen – so bizarr ist dieser Coup also nicht. Das ganze „wahnsinnige Hin und Her“ von 101 Jahren, so Florian Fiedler, lasse sich ohnehin nicht in inspirierender Form erzählen: die frühen Bankrotte und vielfachen Neuanfänge. „Wir verhandeln Theater grundsätzlich.“
„Die freche kleine Schwester von Bochum“
Wie sieht der scheidende Intendant denn das Theater Oberhausen grundsätzlich? „Als die freche kleine Schwester vom Schauspielhaus Bochum!“ Das sei zunächst ein Anspruch, nicht immer verwirklicht. Und es sei die Frage, „ob es dies nach dem Willen der Oberhausener bleiben kann“. Zunächst aber: die ersten 101 Jahre in 101 komödiantischen Minuten.
Porträts und prägende Epochen aus 100 Theater-Jahren
So präsentierten wir 100 Jahre Theater Oberhausen in Rückblicken und Porträts:
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/100-jahre-unruhezeiten-am-theater-oberhausen-id227984257.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/theater-gab-s-schon-vor-dem-100-jaehrigen-theater-oberhausen-id228812621.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/18-jaehriges-tanzwunder-begruendet-oberhausens-ballett-aera-id229273140.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/buehnenbildner-und-kostuemiers-die-ihrer-zeit-vorauseilten-id229536374.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/die-dunkelste-zeit-in-100-jahren-theater-oberhausen-id229038765.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/guenter-lamprecht-ein-berliner-star-haengt-an-oberhausen-id228910381.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/guenther-buech-brachte-den-rock-n-roll-ins-theater-oberhausen-id229124448.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/possen-und-rare-perlen-am-musiktheater-oberhausen-id229654758.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/der-theatermacher-sah-in-oberhausen-den-weltuntergang-id229440338.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/klaus-weise-hievt-das-theater-auf-halden-und-gasometer-hoehe-id230251372.html
https://www.waz.de/staedte/oberhausen/herbert-fritsch-fuehrt-das-theater-oberhausen-bis-nach-bogota-id229393562.html