Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchener Künstlerin Claudia Lüke ist mit einem ihrer Werke bei der Ausstellung des Projektes „Zero Waste Art“ in Berlin vertreten.
Wer sich auf diesen Stuhl setzt, der hat das Gefühl, bis zum Hals in einem Meer aus Plastikmüll zu schwimmen – und darin zu ertrinken. Genau diesen Effekt wollte die Gelsenkirchener Künstlerin Claudia Lüke mit ihrem Kunstwerk erzielen, das sie auf den Namen „Pandora’s Cube“ getauft hat. Es gehört zu jenen ausgewählten Objekten, die seit zwei Jahren auf Ausstellungstour durch die Bahnhöfe der Republik sind. Letzter Halt ist nun Berlin – der dortige Haupt- und der Ostbahnhof. Und Lüke hofft, dass auch ihr Plastikmüll-Würfel dazu beiträgt, dass die Fahrgäste kurz inne halten. Und ihr eigenes Konsumverhalten hinterfragen.
„Zero Waste Art“ heißt das Projekt, an dem sich Claudia Lüke beteiligt hat. Sinn und Zweck der Aktion ist es, unserer hemmungslosen Wegwerfgesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Milliarden von Plastikverpackungen landen allein in Deutschland Jahr für Jahr im Müll. Und nur ein Teil davon kann recycelt werden. Der Rest landet in der Müllverbrennung, auf Deponien in Entwicklungsländern oder im allerschlimmsten Fall in den Weltmeeren. Dort haben sich inzwischen Plastikmüllteppiche von einer Größe angesammelt, die der Fläche des Saarlandes entsprechen.
Atelier von Künstlerin Claudia Lüke liegt in Schalke
Um diese Umweltkatastrophe in den Fokus zu rücken und ihr etwas entgegenzusetzen, riefen die Macher von „Zero Waste Art“ die Idee der Ausstellung ins Leben. Sie soll als Impulsgeber wirken. Mit den Mitteln der Kunst soll aber auch ein Prozess des Umdenkens zur drohenden Vermüllung unseres Planeten angestoßen werden. Deshalb wollte auch Lüke, die in ihrem Alltag als freischaffende Künstlerin in einem Atelier an der Luitpoldstraße in Schalke wirkt, mit dabei sein.
Für ihr Kunstwerk „Pandora’s Box“ hat sie ausschließlich Plastikmüll aus Gelsenkirchen verarbeitet. „Den haben drei meiner Freunde innerhalb von nur drei Wochen hier aufgesammelt“, erzählt die Künstlerin in einem Telefoninterview, für das sie während ihres Aufenthalts in der Hauptstadt Zeit fand. Sie brachten alles mit, was die Mitmenschen einfach achtlos auf den Gehwegen in der Stadt oder in der Natur zurücklassen hatten. Dazu gehörten: Plastiktüten, Kaffeekapseln, Rohre, Planen, Plastikflaschen und etliche Verpackungen.
Ein spezieller Industriekleber kam auch zum Einsatz
Aus den Plastikrohren fertigte Lüke zunächst das Grundgerüst für ihren 1,20 x 1,20 x 1,20 Meter großen Würfel. Auf allen sechs Seiten wurden Folien und Planen zu den Grundfläche umfunktioniert. Und auf diese klebte die Künstlerin dann einige der anderen Müllfundstücke. „Dafür musste ich einen besonderen Industriekleber benutzen, weil Plastik sich nur äußerst schwer mit anderem Plastik verbinden lässt“, berichtet Lüke vom Arbeitsprozess, der insgesamt einen Monat dauerte, bis das Kunstwerk fertig war.
Erster Haltepunkt dieser Ausstellung war im Oktober 2019 der Kölner Hauptbahnhof. Nach dem zweiten Zwischenhalt in Dortmund sorgte die dann einsetzende Corona-Pandemie für eine rund anderthalbjährige Zwangsunterbrechung. In dieser Zeit waren nur virtuelle Besichtigungen möglich. Nun zum Abschluss in Berlin sind erstmals wieder die echten Objekte und die leibhaftigen Künstler vor Ort zugegen. „Es ist mir so wichtig, mich endlich wieder mit den anderen Künstlern in Präsenz austauschen zu können“, sagt Lüke. Und sie hofft, dass zumindest beim einen oder anderen Fahrgast, der an der ausgestellten Kunst vorbei in Richtung Bahnsteig eilt, das Thema Plastikmüll verstärkt ins Bewusstsein eindringt.
Ausstellung in zwei Formen zeitgleich an zwei Orten
Am Berliner Hauptbahnhof sind die Kunstwerke in digitalisierter Form auf großen Leuchttafeln zu sehen. Darauf ist auch ein QR-Code abgedruckt, den jeder vorbeilaufende Fahrgast mit seinem Handy einscannen kann. Die sich dann öffnende Internetseite gibt weitere Informationen zum Projekt und dem jeweiligen Objekt. Pro Tag kommen dort 300.000 Fahrgäste an oder fahren ab.
Am Berliner Ostbahnhof sind hingegen alle Originalwerke zu bestaunen. Sie werden aber aus Sicherheitsgründen und wegen der Hygienevorschriften in Glasvitrinen präsentiert. Deshalb können Passanten auch nicht persönlich in dem Plastikmüll-Würfel von Claudia Lüke Platz nehmen. Stattdessen hat die Künstlerin dort eine Schaufensterpuppe platziert.