Gelsenkirchen. Klagt Gelsenkirchen gegen die Erweiterung der Zentraldeponie? Der Umweltausschuss fällt dazu eine Entscheidung. Warum Gegner Alarm schlagen.
Klagt die Stadt oder klagt sie nicht? Diese Entscheidung mit auf den Weg bringen will der Gelsenkirchener Umweltausschuss in seiner Sitzung am Dienstag, 16 Uhr, im Ratssaal des Hans-Sachs-Hauses. Im Vorfeld der Sitzung schlägt die Bürgerinitiative „Uns stinkt’s“ Alarm. Sie sagt: Die von der Bezirksregierung Münster erteilte Genehmigung „zur letztmaligen Erweiterung und Erhöhung der Zentraldeponie“ (ZDE) ist Augenwischerei, eine endgültige Stilllegung sei längst nicht verbrieft.
Gelsenkirchener Deponie: Letztmalige Genehmigung hat keine Rechtsverbindlichkeit
Die Bezirksregierung Münster hatte jüngst grünes Licht für die umstrittene Erweiterung der von der AGR betriebenen Zentraldeponie an der Stadtgrenze von Gelsenkirchen und Herne gegeben. Beide Städte hatten per Ratsbeschluss dagegen gestimmt und erwägen jetzt, gegen die Erweiterung zu klagen.
Henning Mettge, Sprecher der Bürgerinitiative „Uns stinkt’s“, warnt davor, „der Formulierung von AGR und Behörde Glauben zu schenken“, dass es sich um eine letztmalige Genehmigung handelt. „Diese Worte im Bescheid sind nach Anwaltsauskünften in keiner Weise rechtsverbindlich“, so der BI-Sprecher. Ein Fortbetrieb über das angepeilte Schüttende hinaus sei daher problemlos möglich.
Zahlreiche Baumpflanzungen im Deponie-Umfeld
Die AGR forstet im Herbst nach eigenen Angaben rund 2,6 Hektar Wald im Umfeld der Zentraldeponie Emscherbruch auf. Im Naturschutzgebiet „Resser Wäldchen“ im Stadtgebiet Herne sowie im „Forstort Emscherbruch“ in Gelsenkirchen haben demnach bereits die Vorbereitungen begonnen. Verkrautete Flächen sind dafür geräumt und Totholz entfernt worden.Ab November werden insgesamt 13.000 Bäume in Kooperation mit RVR Ruhr Grün neu gesetzt. Es handelt sich dabei um Traubeneichen, Rotbuchen, Vogelkirschen und Hainbuchen. Zusätzlich werden unterschiedliche Straucharten wie Weiß- und Schwarzdorn, Vogelbeere, Hasel und Sanddorn entlang der Waldränder als Vogelschutzgehölze gesetzt.
Die AGR teilte über ihren Sprecher Jürgen Fröhlich mit, dass „der Beitrag der AGR zur Sicherstellung der Entsorgung auf der ZDE mit dem Ausschöpfen der beantragten Kapazitäten endet“. Laut Prognose des RVR-Tochterbetriebes sei das 2030/2031 der Fall. Bei höheren Anlieferungen von Müll könne die Kapazitätsgrenze früher erreicht werden.
Ministerium: Laufzeitbegrenzung durch Planfeststellungsbeschluss gibt es nicht
Auch das Landesumweltministerium äußerte sich ähnlich: Demnach wird das Ablagerungsende vom verfügbaren Restvolumen und der Menge der abgelagerten Abfälle bestimmt. Das Ministerium teilte aber auch mit, dass „es eine Begrenzung der Laufzeit durch einen Planfeststellungsbeschluss nicht gibt“.
+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen? Dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren +++
Auch interessant
Die Deponiegegner führen als ein Argument für eine Klage die „überdurchschnittlich hohen Krebszahlen“ in Gelsenkirchen und Herne an. Der Fortbetrieb der Sondermülldeponie stellt für sie eine weitere „enorme Gesundheitsgefährdung“ dar, weil schon heute „über fünf Millionen Kubikmeter krebserzeugender Stoffe wie Arsen, Blei oder Cadmium in unmittelbarer Nähe der Anwohner liegen“, so Henning Mettge. „Teilweise in unter 100 Meter Entfernung von den Menschen.“
Gelsenkirchen: Krebsraten in Gelsenkirchen deutlich über dem Landesdurchschnitt
Den aktuellsten Zahlen des Landeskrebsregisters NRW zufolge gab es im Jahr 2018 bei den Männern in Gelsenkirchen 486,8 Neuerkrankungen auf 100.000 Einwohner (Herne 525,8). Der NRW-Schnitt lag bei 442. Bei den Frauen zeigt sich ein ähnliches Bild: Während in Gelsenkirchen 398,7 Frauen auf 100.000 Einwohner an Krebs erkrankten (Herne 407,5), waren es NRW-weit 373,7.
Herne ist damit bei den Krebsraten von Männern auf Platz eins, Gelsenkirchen auf Rang sieben. Bei den Frauen nimmt Gelsenkirchen Platz acht und Herne Rang vier ein.
Einen derartigen Zusammenhang sieht die Bezirksregierung aber nicht. Sie verweist in der Genehmigung auf ein von ihr beauftragtes humantoxikologisches Gutachten, wonach „die erhöhte Krankheitslast durch bösartige Neubildungen … maßgeblich auf das Rauchverhalten zurückgeführt werden kann”.
Gelsenkirchen hatte nach Angaben des Statistischen Landesamtes 2017 mit 29 Prozent noch den höchsten Raucheranteil, ähnlich hoch war die Quote in Herne mit 28,1 Prozent.
- Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung zum Coronavirus in Gelsenkirchen in unserem Newsblog
- Lesen Sie mehr Geschichten aus Gelsenkirchen
- Oder folgen Sie der WAZ Gelsenkirchen auf Facebook