Gelsenkirchen. Sven Lidicky probierte aus, wie gut man vom Gelsenkirchener Hauptbahnhof zur WH nach Buer kommt – mit dem E-Miet-Tretroller.
Mit einem Flyer in der Hand stehe ich an diesem leicht regnerischen Morgen vor dem Gelsenkirchener Hauptbahnhof. Auf dem vom Regen leicht aufgeweichten Faltblatt steht in großer Überschrift „E-Tretroller mieten - Tipps zur Nutzung in Gelsenkirchen“. Ich blättere weiter und finde schnell den Verweis zur passenden App. Direkt zücke ich mein Handy, lade mir die App herunter und möchte meine Reise am liebsten direkt beginnen. Doch falsch gedacht!
Die App schlägt Alarm, denn ich befinde mich schließlich in einer Fußgängerzone und hier dürfen E-Scooter, genauso wie Fahrräder, nicht fahren. Also stehe ich nun vor der ersten Entscheidung an diesem Tag. Option eins: Ich schnappe mir den erstbesten Roller, der mir in der App angezeigt wird und umfahre die Stadtmitte. Option zwei: Ich laufe quer durch die Innenstadt in Richtung Musiktheater und beginne von dort aus meine Fahrt. Nach kurzer Überlegung fällt meine Entscheidung auf Option zwei.
Auf dem Weg zum neuen Startpunkt nutze ich die Zeit, um die App mit allen benötigten Daten einzurichten. Am Musiktheater angekommen wartet auf mich einer der E-Scooter direkt vor dem Opernhaus. „Scannen Sie den QR-Code“, steht auf dem Bildschirm meines Smartphones. Gesagt, getan. Eine grüne Lampe blinkt am Roller auf, die App belehrt mich kurz und wünscht mir eine gute Fahrt.
Einziger Weg, die Kurt-Schumacher-Straße
Da ich solch einen E-Tretroller zuvor noch nie bedient habe, mache ich erst einmal mit dem Gerät vertraut. Ich stelle mich vorsichtig auf den Roller und drücke den Gasschalter. „Ein ordentliche Beschleunigung“, denke ich mir. Der Elektromotor zieht gut an und kann laut Hersteller eine Spitzengeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern erreichen. Somit steht der Fahrt nach Buer nichts mehr im Weg, außer vielleicht der Weg. Eine komplett freie Streckenwahl ist nicht erlaubt. Die Karte in der App zeigt mir nur einen bestimmten Weg nach Buer, und zwar die Kurt-Schumacher-Straße. Stark befahren, laut und teilweise ohne Radweg. „Na Prima! Das kann spaßig werden“, flüstere ich vor mich hin, während ich den Roller langsam in Fahrt bringe.
Es geht auf die Straße
Vom Kennedyplatz aus schwinge ich mit dem E-Scooter erstmal auf die Schalker Straße. Glücklicherweise hat es aufgehört zu regnen und auf der noch leicht feuchten Seitenstraße ist derzeit wenig los. Eine gute Voraussetzung, um mich mit dem Straßenverkehr vertraut zu machen. Ich drücke den Gashebel mit meinem Daumen nach unten und der Roller nimmt Fahrt auf. „Eigentlich ganz entspannt“, denke ich mir. Der Elektromotor ist so ruhig, dass man durch das geringe Verkehrsaufkommen nur das leichte Zischen der Reifen wahrnimmt, die über den nassen Asphalt rollen. Es ist so wenig los, dass ich erstmalig wage, „Vollgas“ zu geben.
Kurze Zeit später habe ich die Berliner Brücke südseitig erreicht. Nun muss ich mich wohl zwangsläufig dem Straßenverkehr der Kurt-Schuhmacher-Straße stellen. Die Brücke selbst besitzt zum Glück noch einen Radweg, doch ab der Hälfte der Überführung erblicke ich ein Schild, das mir gar nicht gefällt. Es ist rund, blau und bildet eine Dame mit Kind ab. Richtig geraten: Gehweg. Das bedeutet für mich: Jetzt geht es auf die Straße.
Zögernd stehe ich am Straßenrand, leicht nervös und angespannt. Was gerade noch gemütlich und ruhig war, ist nun laut und hektisch. Viele Autos, Transporter und Lkw sind unterwegs. Einmal kurz durchgeatmet und los geht‘s. Zwischen den ganzen großen Fahrzeugen fühle ich mich leicht verloren und erdrückt, Abgasgestank dringt mir in die Nase und mein Unwohlsein steigt immer weiter an. Aus diesem Grund beschließe ich nach ein paar Metern, schnell wieder zurück auf den Gehweg zu kommen.
Diese Entscheidung zwingt mich, den Roller fortan erst einmal zu schieben. Einen Vorteil bringt dies allerdings mit sich. Ich weiß nicht, wann ich die sogenannte Schalker Meile jemals so langsam durchschritten habe. In der Regel fahre ich hier mit dem Auto oder der Bahn durch, jetzt erstmals selbst in dieser Kulisse zu stehen bringt auch für mich eine neue Erfahrung mit sich. Nach ein paar weitere Metern kann es dann allerdings wieder auf dem E-Scooter weitergehen, der nächste Radweg ist erreicht.
Freie Fahrt nach Buer
Von dort an geht meine Fahrt rasant voran. Vorbei an Rhein-Herne-Kanal, Emscher und Veltins-Arena komme ich meinem Ziel immer näher. Die Wege sind frei, was mich dazu verleitet die vollen 20 km/h auszunutzen. Schnell erreiche ich so den Berger See. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät mir, dass meine bisherige Fahrtzeit den Wert einer halben Stunde schon überschritten hat. Um nicht als letzter im Ziel anzukommen, düse ich schnell weiter und erreiche endlich das sehnsüchtig erwartete Ortsschild mit der Aufschrift Buer. Auch die restliche Strecke lässt sich mit den E-Roller ohne Probleme überwinden. Im Nu erreiche ich die Vinckestraße und kurz darauf die Devesestraße. Auch die Ampeln spielen mit und geben mir von dort an allseits grünes Licht.
Nach 45 Minuten ist es endlich geschafft, ich habe die Westfälische Hochschule erreicht. Zwar nicht als erster in unserer Gruppe, aber dafür mit einer Erfahrung, die ich nur ungern missen möchte. Ich beende die Fahrt auf meinem Smartphone, die App bedankt sich im Namen der Umwelt für meinen Einsatz und schließt die Zahlung über das System PayPal ab. Knapp 10 Euro hat mich die Fahrt vom Musiktheater zur Westfälischen Hochschule gekostet. Ein etwas happiger Preis im Vergleich zu Bus und Bahn. Aber dafür hat mir dieses Experiment eine Menge Spaß bereitet.
An der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen werden auch angehende Journalisten ausgebildet. Zum Studiengang „Journalismus & PR“ gehört als Wahlfach das Ressort Lokales. In diesem Wintersemester haben dort 13 Studierende einen Blick auf Gelsenkirchen geworfen und ihre Geschichten aus und über die Stadt erzählt. Einige von ihnen sind hier selber zuhause, andere haben am Hochschul-Standort für die Ausbildung eine neue Heimat gefunden. Die WAZ hat das Projekt als Kooperationspartner begleitet und stellt vor, was junge Menschen entdeckt haben, was sie bewegt.