Oberhausen. Gitarrissimo in Oberhausen. Das ist eine legendäre Konzertreihe, die nun ihre 800. Ausgabe gebührend saitenstark und klangvoll zelebriert hat.

Um gleich mit einem Missverständnis aufzuräumen: Die beliebte Gitarren-Spieltechnik Fingerstyle verdankt ihren Namen nicht dem zumindest in Deutschland berühmtesten Vertreter dieses Genres. Nämlich Peter Finger, der es sich nicht nehmen ließ, zusammen mit Peter Kroll-Ploeger nun die sage und schreibe 800. Ausgabe von Gitarrissimo im Gdanska zu feiern.

Amüsant, dass die beiden Gitarren-Virtuosen ihren zwischen packenden Dialogen und fabelhaften Solo-Nummern wechselnden Auftritt ausgerechnet mit dem famosen Jazz-Standard „Mercy, Mercy, Mercy“ von Joe Zawinul begannen. Denn um Gnade hätten bei dieser Geburtstagsfeier nicht einmal erklärte Wanderklampfenhasser gewinselt.

Die gab’s natürlich nicht im trotz bekannt widriger Umstände recht erfreulich gefüllten Polski-Ambiente mit lauter Freunden erstklassiger Gitarrenkunst. Und davon gab es reichlich in überbordener Spielfreude. Wobei Peter Kroll-Ploeger, seit Ewigkeiten abonniert auf geradzahlige Gitarrissimo-Jubiläen, mit 800 rasant auf die 60 zujagte – wird der immer noch jugendlich wirkende Mülheimer nämlich am Samstag. So kredenzte er einen kleinen Rückblick auf alte Zeiten („700 Times“) und mit dem Weather Report-Superhit „Birdland“ auch einen ersten großartigen Beweis seiner stupenden Fingerfertigkeiten. Und bewies feinen Humor, als er der ersten Solo-Grandezza seines Gaststars das gemeinsame „The day the world stopped turning“ folgen ließ.

Künstler Peter Finger an der Gitarre in Aktion.
Künstler Peter Finger an der Gitarre in Aktion. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Prompt bot Peter Finger nach gewitzter Anmoderation – „Fanesca ist keine tolle Latin-Frau, sondern eine Gemüsesuppe“ – brasilianische Samba-Seligkeiten auf sechs Saiten, was eine Dame im Saal entzückt mit „wunderbar“ kommentierte. Zwei spektakulär rasante, nun ja, Finger-Flinkheiten später befand der Gastgeber demütig „Scheiße“ und konterte die brillante Überwältigungsartistik des Gitarren-Großmeisters mit einer verträumt dahinperlenden Ballade von zarter Duftigkeit.

Lautstark umjubelter Auftritt

Den lautstarken Jubel des begeisterten Publikums, das mit Marlene Dietrich getrost auch „Peter, Peter“ hätte seufzen können, teilten sich die beiden brüderlich. Wunderbar auch, wie Peter Finger im Laufe der rauschenden Geburtstagsfeier den Unterschied zwischen Fingerstyle und Fingerpicking saukomisch erklärte: Picking sei immer „Bumm-tschick“ im Bass, es gehe aber auch zwei Saiten höher.

Sprach’s und lieferte virtuos den Beweis in kurzem Anriss samt Double-Time-Variante als Einstieg in sein der Fingerpicking-Legende Chet Atkins gewidmetes „Good Times“, das die beiden Gitarristen auch ohne „Tschick“ mit mächtig „Bumm“ über die Gdanska-Bühne brachten. nDass dort zwei „Heroes“ standen, hätte man auch ohne gleichnamige Zugabe gewusst. Ihr Rauschmeißer „You gotta serve somebody“ brachte schließlich das Arbeitsethos der beiden Peter perfekt auf den Punkt – so lässig und gleichzeitig hochmusikalisch tönte Gitarrissimo nur selten in seiner langen Geschichte.

Nächste Woche geht die mit „Superzeit“ unter verschärften Bedingungen (2-G-plus = geimpft, genesen und geboostert oder getestet) im Gdanska weiter. Danach begibt sich Jürgen Reinke mit Gitarrissimo in eine verdammt lange Winterpause, nämlich bis zum 1. April. Kein Scherz, sondern Corona-Elend.