Gelsenkirchen. In einer Online-Talkrunde des MiR forderten die Teilnehmer mehr Sensibilität und Bewusstsein ein. Warum der Opernkanon „brüchiges Eis“ ist.
Die Welt ist sprachlich sensibler geworden. Aus vielen Supermarktregalen sind Namen bestimmter Soßen und Süßigkeiten längst verschwunden. Aber wie sieht es mit dem Rassismus in der Opernwelt aus? Diese Frage stellte sich am Freitagabend eine Talkrunde im Musiktheater im Revier. Die Online-Diskussion war für eine Stunde angesetzt, brachte es am Ende aber auf zwei Stunden und riss auch in dieser Zeit das Thema nur schlaglichtartig an.
Chefdramaturg kündigt weitere Auseinandersetzungen mit dem Thema Rassismus in der Opernwelt an
So zog MiR-Chefdramaturg Olaf Roth am Ende das Fazit: „Das Gespräch muss in Zukunft fortgesetzt werden, um mehr Bewusstsein dafür zu schaffen.“ Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus der Demokratischen Initiative Gelsenkirchen beleuchtete Roth gemeinsam mit Dramaturgin Anna Chernomordik und dem Regisseur und Autor Atif Mohammed Nor Hussein die Frage, wie man Rassismus in Zusammenhang mit der Opernwelt erkennen kann und wie man damit umgeht. Ein weites Feld, wie die Runde konstatierte.
Über 40 Menschen nahmen online an der Veranstaltung teil. Wie erkennt man Rassismus in historischen Stoffen, lautete die eine Frage, die andere, wie geht man damit um? „Der Opernkanon ist in dieser Hinsicht brüchiges Eis“, stellte Olaf Roth fest. Gerade die populärsten Werke wie „Madame Butterfly“, „Aida“, „Carmen“ oder „Die Zauberflöte“ seien von Rassismen geprägt. Möglichkeiten für Eingriffe sah die Runde in sensibler Auseinandersetzung mit dem Stoff, in Inszenierungspraktiken, Ausstattung, Besetzungspolitik und Streichen von Textstellen.
Regisseur prangert rassistische Praktiken wie das Schwärzen weißer Gesichter auf den Bühnen an
Der in Berlin geborene und aufgewachsene Atif Hussein gehört zu den Initiatoren von „Bühnenwatch“, einer Plattform, die schon seit Jahren rassistische Praktiken auf Bühnen anprangert. Zum Beispiel das sogenannte „Blackfacing“: „Das ist eine Maskerade weißer Schauspieler, die behaupten, sie würden schwarze Menschen darstellen. Das ist extrem rassistisch.“
Aber auch eine Lösung ist schwierig, wie eine Talkrundenteilnehmerin bemerkte. Würde eine Rolle wie „Othello“ nur noch von einem Sänger mit dunkler Hautfarbe oder eine „Butterfly“ nur noch von einer Japanerin besetzt werden, wäre auch das eine Form von Rassismus.
Diskutiert wurde auch über Texte in Opern. Wie geht man um mit Mozarts „Zauberflöte“, in der Monostatos singt „Weil ein Schwarzer hässlich ist“? Dramaturg Roth forderte Eingriffe in solche Textstellen: „Da müssen auch Verlage mitspielen.“
Wie vorsichtig man inzwischen mit Sprache umgeht, machte Anna Chernomordik, die fragte, ob man das „Z-Wort“ in der Oper noch benutzen dürfe.
Aber auch das Publikum muss mitgenommen werden, forderte Hussein, auch da sollte es einen Gesprächsprozess geben. Auf die Frage an ihn, welches Werk er am liebsten gar nicht mehr auf der Bühne sehen möchte, kam die Antwort schnell: „Puccinis Butterfly.“
Dass das Thema Rassismus längst an den Bühnen angekommen ist, zeigt auch die anschließende Diskussionsrunde. Hier meldeten sich gleich zwei „Agentinnen für Diversität“ zu Wort, die zum Beispiel am Staatstheater Hannover auch das Thema in den Fokus nehmen.