Mülheim. Nach 28 Jahren in der Mülheimer Gemeinde tritt Ekkehart Vetter in den Ruhestand. Glauben und McDonald’s? Warum seine Gemeinde „etwas anders“ ist.
Während die Amtskirche mit Austritten zu kämpfen hat, können viele Freikirchen auf eine stabile Mitgliederzahl bauen – so auch die Christus Gemeinde Mülheim (CGM). Das könnte am „etwas anderen“ Gemeindeverständnis liegen, vielleicht aber auch an Pastor Ekkehart Vetter, der hier 28 Jahre lang wirkte. Nun tritt er in den Ruhestand.
Der Theologe, 1956 in Niedersachsen geboren, hat in Hamburg studiert und in Stade sein Vikariat absolviert, er leitete die CGM seit 1993. Die Zahl der Gläubigen ist in dieser langen Zeit immer leicht angewachsen – auf aktuell rund 250 Mitglieder. „Das Besondere am freikirchlichen Prinzip ist, dass alle im Gemeindeleben präsent sind, sich aktiv in irgendeiner Form einbringen. Wir haben keine Mitglieder, die sich nie blicken lassen“, sagt Ekkehart Vetter.
Mülheimer Freikirche: Sich mit 14 Jahren bewusst für die Taufe entscheiden
Wer einer Freikirche beitrete, entscheide sich bewusst dazu; in die CGM werde man nicht hineingeboren. Man könne sich frühestens mit 14 Jahren taufen lassen, erlange erst dann auch Religionsmündigkeit. Freiwillig hat sich auch der Pastor selbst einst entschlossen, nach dem Studium der Evangelischen Theologie zu einer Freikirche zu gehen. „Es gibt dogmatisch viele Gemeinsamkeiten mit der Evangelischen Kirche, aber das Gemeindeverständnis ist ein anderes“, findet er.
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Wo liegen konkret die Unterschiede? „Das fängt bei den Gottesdiensten an. Dort wird keine klassische Kirchenmusik gespielt, sondern Bands aus der Gemeinde sorgen für die Musik. Es gibt keine Liturgie, wir tragen keinen Talar, nutzen alltagsnahe Sprache. Wir sprechen zusammen auch kein Glaubensbekenntnis. Dafür predigen wir ausführlich“, gibt Vetter ein paar Beispiele. Man versuche, den Gläubigen so alltagsnah wie möglich zu begegnen, biete parallel zum Gottesdienst auch einen Familiengottesdienst an – und um die Gottesdienste herum immer auch Gemeinde-Events wie etwa ein Kaffeetrinken im Garten.
„Der Glaube ist das Zentrale – und dass wir ihn im Alltag auch leben“
Für Ekkehart Vetter hat die Bibel immer im Mittelpunkt gestanden. „Das Wichtigste war für mich, auf neutestamentlicher Basis inhaltlich zu arbeiten, mich selbst und die Gemeindemitglieder durch biblische Inhalte herausfordern zu lassen. Der Glaube ist das Zentrale – und dass wir ihn im Alltag auch leben“, erklärt er. Die sozial-diakonische Arbeit ergebe sich aus der Beschäftigung mit dem Glauben.
In der CGM gibt es schon immer kleine Hausgruppen, die zusammenkommen, um über Bibel-Texte zu reden, aber auch, um gemeinsam zu beten, zu musizieren. „Sie sind sich eng und freundschaftlich verbunden. Man muss die Menschen im Persönlichen erreichen“, meint Ekkehart Vetter. Viele interessante Projekte hat er (mit)initiiert – wie etwa die Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten. „Ich habe jahrelang bei McDonald’s in Saarn ein Glaubens-Frühstück durchgeführt“, sagt er und schmunzelt.
Zwei Söhne von Ekkehart Vetter sind ebenfalls Pastoren
Durch seine Frau Sabine, eine Kommilitonin, hat der Pastor viel Unterstützung erhalten. „Sie hat sich als Seelsorgerin intensiv in der Gemeinde engagiert.“ Auch seine sechs Kinder haben sich dort wohlgefühlt, den Weg zum Glauben gefunden. Zwei Söhne sind selber Pastoren geworden, mehrere Kinder des 65-Jährigen sind in Entwicklungsländern in Hilfsprojekten aktiv – zum Beispiel in Ghana oder Niger.
Das Ehepaar Vetter gehe der CGM nicht verloren. „Wir bleiben als Ehrenamtler weiter in der Gemeinde, vielleicht werde ich später auch mal die ein oder andere Predigt halten. Zunächst möchten meine Frau und ich aber erst mal ein halbes Jahr reisen“, so Ekkehart Vetter. Im Sommer 2021 hatten die beiden Mülheimer einige Wochen mitgeholfen in einem Flüchtlingslager auf Lesbos.
16 Enkelkinder: Langweilig wird’s dem Mülheimer Pastor nie
Die Christus Gemeinde Mülheim
Pastor Clemens Pust ist schon seit Jahren der zweite Pastor in der Christus Gemeinde Mülheim.Ihm wird künftig Ramanan Sivasothy zur Seite stehen, der lange ehrenamtlich in den Bereichen Kinder/Jugend sowie Musik in der CGM tätig war.Die CGM ist beheimatet an der Uhlandstraße 25.
Geprägt durch ihre Reisen und durch die Erfahrungen ihrer Kinder im Ausland haben Sabine und Ekkehart Vetter einen weiteren Plan. Sie möchten gerne „Member Care“ betreiben, also Menschen, die in Projekten von Hilfsorganisationen „im fremden kulturellen Kontext“ mitarbeiten, als Mentoren zur Seite stehen, ihnen Ansprechpartner bei Problemen jeder Art sein. Außerdem ist Ekkehart Vetter weiterhin Vorsitzender der Evangelischen Allianz in Deutschland, ein zeitaufwendiges Ehrenamt. Langweilig kann es ihm aber ohnehin nicht werden. Er hat bereits 16 Enkelkinder.