Gelsenkirchen. Initiative „Materialverwaltung on Tour“ rettet ausrangierte Kulissen und Theaterrequisiten vor dem Müll. In Schalke ist eine Ausleihe möglich.

Wer derzeit die St.-Joseph-Kirche in Schalke durch das Hauptportal betritt, der steht nach wenigen Schritten vor einem knapp vier Meter hohen und etwa zehn Meter langen Hundekopf, der jeden Besucher aus seinen treu dreinblickenden Riesenaugen anschaut. „Das ist unser Moon Dog“, sagt Carina Hommel. Wer Lust hat, kann sich diesen Riesen-Bello ab sofort ausleihen. Denn in dem Gotteshaus am Rande der Grillostraße hat nun die „Materialverwaltung on Tour“ Halt gemacht. Hinter diesem Namen verbirgt sich laut Teammitglied Hommel eine Initiative, die eine riesige Kulissen- und Requisitensammlung verwaltet. Und diese kann es leicht und locker mit so manchem Theater-Fundus aufnehmen.

Die Müllvermeidung und das Bewahren von Dingen als wichtige Aspekte

Auch alte Monitore sowie Filmrollen oder Schreib- und Rechenmaschinen gehören zu den Requisiten, die ab sofort und bis Ende 2021 in der Gelsenkirchener St.-Joseph-Kirche gelagert sind. Jedes Teil kann für Theater- oder Filmproduktionen, aber auch von Schulklassen oder Studenten für Uni-Seminare ausgeliehen werden.
Auch alte Monitore sowie Filmrollen oder Schreib- und Rechenmaschinen gehören zu den Requisiten, die ab sofort und bis Ende 2021 in der Gelsenkirchener St.-Joseph-Kirche gelagert sind. Jedes Teil kann für Theater- oder Filmproduktionen, aber auch von Schulklassen oder Studenten für Uni-Seminare ausgeliehen werden. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Wir haben all diese Kulissen gerettet. Sie wären sonst im Müll gelandet“, sagt die 34-jährige Hommel gleich nach der Begrüßung. Als Ausstattung für Theaterbühnen seien sie einst aufwendigst geplant und gebaut worden. Wenn das dazugehörige Stück dann aber vom Spielplan verschwand, landeten auch alle dazugehörigen Kulissen, Kostüme und Accessoires ganz fix im Lager. Und weil die Kapazitäten auch dort irgendwann endlich sind, werde regelmäßig ein Teilbestand ausrangiert. Und weggeworfen.

„Genau das wollen wir verhindern“, stellt Hommel klar. „Die Müllvermeidung und das Bewahren von funktionierenden Dingen sind für uns zwei ganz wichtige Aspekte.“ Umgesetzt wurde diese Idee als erste von der „Hanseatischen Materialverwaltung“, einer gemeinnützigen GmbH, die laut Hommel „für uns eine Art große Schwester ist“. Vor acht Jahren gingen die Macher im hohen Norden bereits an den Start. „Wir haben dann 2019 mit unserer mobilen Variante hier im Westen nachgezogen“, so Hommel.

Von Oberhausen erfolgte der Umzug in die St.-Joseph-Kirche nach Schalke

Auch Pia Orfanidis half beim Aufbau der Requisiten und Kulissen in der Gelsenkirchener St.-Joseph-Kirche.
Auch Pia Orfanidis half beim Aufbau der Requisiten und Kulissen in der Gelsenkirchener St.-Joseph-Kirche. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Zunächst war die aus mehreren Tausend Teilen bestehende Sammlung in Bochum, danach Oberhausen zu bestaunen. Gefördert wird sie über den Fonds Soziokultur sowie die Eon-Stiftung. Nun also der halbjährige Halt bis Dezember 2021 in den St.-Joseph-Kirche in Schalke. „Wir sind jetzt seit anderthalb Wochen mit dem Aufbau beschäftigt. Bis Freitag wollen wir fertig sein“, erzählt Pia Orfanidis (28) aus Dortmund. Sie gehört ebenfalls zum Team der „Materialverwaltung on Tour“ und sucht gerade nach einem schönen Plätzchen zwischen Holzbänken und Gotteshaus-Säulen, wo sie eine riesige, aus Pappe gefertigte Weltkugel verstauen kann.

Und wer genau soll nun von diesem gemeinnützigen „Theaterfundus für Alle“ profitieren und die Dinge ausleihen? Da lacht Carina Hommel und antwortet: „Ganz viele!“ Als mögliche Interessenten nennt sie Amateur- und Kindertheater, freischaffende Künstlerinnen und Künstler, soziale Jugendprojekte, Bildungseinrichtungen und Studierende, die allesamt ohne großes Budget an tolle Requisiten und vieles mehr kommen könnten. Und die Ausleihpreise? „Die fangen bei 50 Cent an und höhren bei 500 Euro auf“, sagt Hommel. Wer den ebenso fulminanten wie respekteinflößenden Hundekopf im Eingangsbereich betrachtet, der weiß, dass dieser ein Vielfaches wert war.

An drei Tagen in der Woche ist das Kulissenlager geöffnet

„Wir haben all diese Sachen geschenkt bekommen. Sie stammen aus großen Theaterhäusern, von Filmdrehs, Messen oder aus aufgelösten Museen und Privatsammlungen“, erklärt Hommel. Ab dem 27. Juli öffnet die „Materialverwaltung“ immer an drei Tagen in der Woche ihre Pforten in St. Joseph – und zwar dienstags, donnerstags und freitags zwischen 12 und 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Allein das Stöbern und Flanieren durch die liebevoll dekorierten Kirchengänge macht einen riesigen Spaß. Und so stößt die geneigte Besucherin auf leuchtend-bunte Plastikfische, Filmrollen, Schreib- und Rechenmaschinen, ganze Wohnzimmereinrichtungen, Schinkenkeulen aus Plastik oder Weltkarten aus längst vergangenen Schulstunden im Erkunde-Unterricht. Und Carina Hommel strahlt, als sie sagt: „Wie wunderbar, dass wir die Lebensdauer all dieser schönen Dinge verlängern konnten.“

Die schwierige Suche nach einem festen Zuhause

Die „Materialverwaltung on Tour“ möchte ihre Rundreise möglichst bald beenden und sucht nach einem festen Domizil. „Das muss aber mindestens 1500 Quadratmeter groß sein und über sechs Meter Deckenhöhe verfügen“, so Hommel. Diese Halle sollte nicht direkt in einem Wohngebiet liegen und ÖPNV-Anschluss haben. „Wir suchen eine Heimat irgendwo im Ruhrgebiet – gern in Gelsenkirchen.“ Kontakt: 0157/33 25 83 40 oder info@ materialverwaltung-ontour.de.

Die Sammlung wird am Freitag, 23. Juli, erstmals der Öffentlichkeit gezeigt – beim Gottesdienst für Schalke-Fans in der St.-Joseph-Kirche, der vor dem Anpfiff des Saisonauftaktspiels gegen den Hamburger SV um 17.04 Uhr beginnt.